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Der Weg des Unsterblichen

Der Weg des Unsterblichen

Titel: Der Weg des Unsterblichen
Autoren: Anne Lueck
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einem kleinen Aufstand und einem Regierungswechsel vor etwa dreihundert Jahren einiges geändert hatte. Vor allem das selbsternannte Oberhaupt, Aniguel, schien es unendlich zu genießen, uns unter seiner Fuchtel zu haben. Er war es auch gewesen, der schon vor hunderten von Jahren das Verbot ausgesprochen hatte, mit den Dämonen zu handeln und zu verkehren, die so lange Freunde der Menschengewesen waren. Unreine, schmutzige Wesen hatte er sie damals genannt, die »Kanalratten der Gesellschaft«. Die Worte seiner Rede kannte ich auswendig, denn wir hatten sie im Unterricht mehrmals lernen und vortragen müssen.
    »Besessenheit ist vielleicht etwas übertrieben«, verteidigte sich Monja, aber es war viel zu leicht sie zu durchschauen. Die leuchtenden Augen, die leicht geröteten Wangen - sie war eine Fanatikerin, durch und durch.
    »Ich verstehe sowieso nicht, was du gegen die Engel hast. Sie tun schließlich alles, um uns vor den Dämonen zu schützen. Und ganz ehrlich…hast du sie dir mal angesehen!? Sie sind perfekt!«
    Ich schnaubte. Eine blinde Fanatikerin. »Die sehen alle gleich aus.«
    Meine Freundin warf mir einen entrüsteten Blick zu. »Das ist überhaupt nicht wahr! Hast du dir mal angeschaut, wie cool die herumlaufen? Diese tollen, schwarzen Uniformen, diese schönen, blauen Augen, dieses perfekte Lächeln… ich könnte sie den ganzen Tag im Fernsehen anstarren, das kannst du mir glauben.«
    Tolle Uniformen, die sie alle trugen, blaue Augen, die sie alle hatten, das perfekte Lächeln, das in jedes ihrer Gesichter eingemeißelt schien. Sie sahen alle gleich aus. Ja, ich glaubte Monja, dass sie die Unsterblichen stundenlang anstarren konnte, so wie es die meisten Menschen taten. Aber mir wurde von diesen ausdruckslosen Augen und dem falschen Lächeln eher schlecht.
    »Ich habe seit drei Jahren keinen Engel mehr gesehen. Ich meine: Im Fernsehen sieht man sie ja ständig, aber ich will sie richtig, in echt vor mir stehen sehen. Es ist wirklich schade, dass sie so selten unter uns Menschen kommen. Meinst du, wenn man ihnen Geld gibt, kann man einen als Bodyguard anheuern? Oh Gott, allein bei dem Gedanken wird mir ganz schwindlig, ich muss später dringend reich werden!«
    Ich sah sie schräg von der Seite an, wie sie wippenden Schrittes und mit verträumten Augen über den Rand der geteerten Straße schlenderte, und schüttelte missbilligend den Kopf. »Wenn das so weitergeht, wirst du wohl genug Gelegenheit haben, sie zu treffen.« Eigentlich hatte ich diesen Satz eher zu mir selbst gesagt,aber meine Freundin, die erstaunlich gute Ohren hatte, wenn sie wollte, bekam es trotzdem mit. Sofort begannen ihre Wangen zu glühen. »Hoffentlich hast du recht, Noé.«
    Mir wurde langsam schlecht von der ganzen Schwärmerei. »Sag mal, könnten wir vielleicht mal das Thema wechseln? Dein Gequietsche ist am frühen Morgen echt schwer zu ertragen, nimm’s mir nicht übel.«
    »Ok, ok, weil du es bist!« Man konnte sehen, dass Monja wirklich sehr ungern von ihrem Lieblingsthema abließ, aber schon nach wenigen Sekunden leuchteten ihre Augen wieder. »Jetzt hätte ich über diese ganze Diogo-Geschichte ja beinahe das Wichtigste vergessen!« Sie grinste mich an und meine Nackenhaare begannen, sich aufzustellen. »Bitte, Moni, bitte sing mir jetzt kein Geburtstagslied. Du weißt, dass ich es hasse, wenn ich so im Mittelpunkt stehe.«
    Monja verzog schmollend ihr Gesicht, und ich war froh, dass sie den Mund hielt. Nicht, weil die Sache mit dem »im Mittelpunkt stehen« wirklich so schrecklich für mich war, nein. Aber meine beste Freundin konnte mit ihrem Gesangstalentsämtliche Gehörgänge von Menschen im Umkreis von hundert Metern vernichten. Und das war noch nett ausgedrückt.
    »Darf ich dir dann wenigstens was schenken?« Ihre Euphorie war zurückgekehrt, als sie die Hand in ihre mit Star-Bildchen beklebte Schultasche steckte.
    »Das ist doch nicht nötig, Moni-«, murmelte ich. Doch schon im nächsten Moment hielt sie mir eine regenbogenfarbene Kiste unter die Nase, die etwa die Größe einer Brotdose hatte.
    »Oh doch, oh doch!« Sie strahlte mich voller Erwartung an. »Mach auf, los!«
    Ich steckte den Zeigefinger unter die knallrote Schleife und zog sie ab, bevor ich behutsam den Deckel hob. Der Inhalt war für mich keine große Überraschung mehr, denn die Cupcakes, die zum Vorschein kamen, schenkte sie mir jedes Jahr. Ich lächelte. »Danke, Moni.«
    »Selbstgemacht, natürlich, wie immer!« Sie hob einen Daumen
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