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Der Weg des Feuers

Der Weg des Feuers

Titel: Der Weg des Feuers
Autoren: Christian Jacq
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vier Fackeln sind Zeichen für die vier
    Himmelsrichtungen. Nimm eine nach der anderen in die Hand und zeige sie ihnen.«
    Die Priesterin vollzog das Ritual.
    »So wie die lebendige Seele diesen Weg geht, so beseelt die große Flamme aus dem Ozean deine Schritte.«
    Eine Tür nach der anderen öffnete sich, und die Finsternis verschwand.
    Isis sah das Licht des ersten Morgens, Sonne und Mond waren seine Augen. Ein zweiter Feuerkreis machte den Zugang zu der Insel von Osiris unmöglich, auf der sich ein Sandhügel mit dem versiegelten Gefäß erhob, in dem die Lebenssäfte dieses Gottes ruhten.
    »Dies ist der letzte Weg, Isis, und hier kann ich dir nicht mehr helfen. Dieses Hindernis musst du allein überwinden.«
    Die junge Frau trat auf die Feuersglut zu.
    Eine Flamme streifte ihren Mund. In ihr Herz brannte sich ein Stern, in ihren Nabel eine Sonne.
    »Isis soll Osiris’ Dienerin werden, ihr Herz soll immer in seiner Nähe bleiben, ihr Weg möge Tag und Nacht frei sein, und diese Helligkeit soll ins Innere ihrer Augen gelangen, damit sie durchs Feuer gehen kann.«
    »Der Weg soll Isis leiten, das Licht ihre Schritte lenken.«
    Einen kurzen Augenblick blieb Isis inmitten des Kreises reglos stehen – wie eine Gefangene. Dann betrat sie unversehrt und andächtig die Insel von Osiris.
    Isis kniete sich vor das versiegelte Gefäß, die Quelle aller Lebenskräfte.
    Als sich der Deckel hob, konnte sie den Ursprung des Lebens betrachten.
    Auf einmal erstrahlte der ganze Tempel in hellem Licht.
    »Dein Duft vermischt sich mit dem von Punt«, sagte der Ritualist, »dein Körper ist goldbedeckt, du strahlst inmitten der funkelnden Sterne in der Halle der Mysterien – du, die Gerechte.«
    Anubis zog der jungen Frau ein langes gelbes Kleid an und setzte ihr eine Krone aus Gold auf den Kopf, die mit Lotusbluten aus Karneol und Rosetten aus Lapislazuli verziert war. Er schmückte sie mit einer großen Halskette aus Gold und Türkis mit einem Verschluss in Form eines Falkenkopfes. Um ihre Handgelenke und Knöchel legte er Bänder aus rotem Karneol, die die Lebenssäfte anregen sollten, und zog ihr weiße Sandalen an.
    Von den Wegen des Wassers, der Erde und des Feuers war keine Spur mehr zu sehen.
    Im Heiligtum des Tempels von Osiris erschienen jetzt der Pharao und seine Große Königliche Gemahlin.
    Chnum-Hotep, Sekari, der Große Schatzmeister Senânkh, der Kahle, General Nesmontu und Sehotep, der Träger des Königlichen Siegels, umringten Isis.
    Sesostris streifte seiner Tochter einen Ring aus blauer Keramik, in dessen Fassung das Zeichen für ankh, Leben, eingraviert war, über ihren rechten Mittelfinger.
    »Von nun an gehörst du zum Goldenen Kreis von Abydos. Unsere Einheit mit Osiris und unseren Vorfahren möge besiegelt sein.«
    Sie fassten sich bei den Händen und bildeten den Kreis – und ein starkes Gefühl von Einigkeit prägte den letzten Schritt dieser Initiation.

    Isis legte die sieben Säckchen mit dem grünen Gold aus Punt in die sieben Löcher, die der Kahle um die Akazie gegraben hatte.
    Der König sah ihr zu, wie sie den Sonnenaufgang erwartete. An diesem Morgen müsste er die Dunkelheit besonders kraftvoll vertreiben.
    Und bald war ganz Abydos, von den Gräbern der ersten Pharaonen bis hin zur Anlegestelle, in strahlendes Licht getaucht.
    Kaum hatte der König den alten Spruch »Erwache in Frieden« gesagt, da kamen goldene Strahlen aus den sieben Säckchen und durchdrangen den Stamm des großen Baums. Äste und Zweige wurden grün.
    Und als der Morgenstern den Zenith erreicht hatte, zeigte sich der Baum des Lebens in leuchtendem Grün und in seiner ganzen Pracht wieder.
    Zum ersten Mal in seinem Leben musste der Kahle weinen.

    Ungeduld und Unruhe bemächtigten sich Ikers. Der Pharao und die Königin waren auf Reisen, der Wesir wurde anderweitig aufgehalten, Senânkh war zu Überprüfungen unterwegs, Sehotep überwachte Bewässerungsarbeiten, General Nesmontu betreute seine Truppen, und der Königliche Sohn war überall zur gleichen Zeit. Dieses Übermaß an Arbeit machte ihm nicht einmal viel aus, nur eine Frage quälte ihn: Wann bekam er den Befehl, nach Abydos aufzubrechen?
    Sekari blieb unauffindbar, bestimmt war er wieder in geheimer Sache unterwegs. Die Ruhe war also nur oberflächlich.
    Seit Sobek der Beschützer Iker sein Vertrauen geschenkt hatte, beriet er sich täglich mit ihm. Trotz der ununterbrochenen Bemühungen seiner Männer klangen ihre Berichte hohl und leer. Und der oberste
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