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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg
Autoren: Serno Wolf
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das erste Schiff spanischer Bauart war, das er führte. Lord Pembroke, dem es gehörte, hatte es der Englischen Krone abgekauft, die es ihrerseits einem Korsaren verdankte, der es unter dem Namen Santa Esmeralda gekapert hatte. Nun, Taggart sollte das recht sein, auch wenn eine Laune des Schicksals es wollte, dass die Galeone nun wieder in die Gewässer zurücksegelte, in der sie einst aufgebracht worden war. Er hatte sein Wort gegeben, Pembroke mitsamt seiner schönen Unbekannten an einen Ort zu bringen, der Roanoke Island genannt wurde und rund fünfhundert Meilen nördlich einer Halbinsel lag, die auf spanischen Seekarten als La Florida bezeichnet wurde. Er würde es schon schaffen! Zumal der Lord ihm für den erfolgreichen Abschluss der Reise ein hübsches Sümmchen zugesichert hatte.
    Bildete er es sich ein, oder hatte das Wimmern aufgehört? Er schnaufte ärgerlich. Lord Pembroke würde es ihm gleich höchstpersönlich verraten. Sein Kopf schob sich in diesem Augenblick Stufe um Stufe den Niedergang empor.
    »Captain Taggart, Sir! Ich muss dringend mit Euch reden!« Die Stimme von Lord Pembroke wirkte alles andere als adelig. Der Mann hatte offenbar Angst.
    »Was gibt's, Mylord?« Taggart bemühte sich, seinen Tonfall nicht allzu gereizt klingen zu lassen. Er schätzte es nicht, wenn Landratten seinen Kommandostand auf dem Achterkastell enterten - und wenn sie zehnmal Lord Pembroke hießen. »Nun ... äh ...«, Pembroke suchte nach Worten, »Captain Taggart, ich mache mir offen gestanden große Sorgen um meine ... äh ... Schutzbefohlene. Ihr habt vielleicht schon gehört, dass sie ... äh ... in gesegneten Umständen ist und ein Kind bekommt?«
    »Das habe ich allerdings gehört, Mylord.« Taggart hoffte, dass die Doppeldeutigkeit seiner Worte dem Lord nicht entgehen würde.
    »Nun ... äh ...«, die müden Züge von Pembroke nahmen jäh eine grüne Farbe an; er wandte sich nach Steuerbord und beugte den Kopfüber die Reling, um sich zu erleichtern.
    »Nicht hier!«, schrie Taggart barsch und dirigierte den Mann blitzschnell nach Backbord.
    »Solche Dinge erledigt man besser in Lee.« Mein Gott, womit habe ich das verdient!, dachte er. Ich halte hier diesen zuckenden Blaublüter über Bord, nur damit er sauber abkotzt, als hätte ich nichts anderes zu tun!
    Pembroke zuckte und würgte eine kleine Ewigkeit. Dann richtete er sich keuchend wieder auf. »Ich danke Euch. Ich fürchte ... äh ... ich habe keine besonders gute Figur gemacht.« Seine Gesichtsfarbe wurde wieder etwas menschenähnlicher. »Ich möchte Euch bitten ... äh ... mir in die Kabine der Lady zu folgen, damit Ihr Euch selbst ein Bild von ihrem Zustand machen könnt.«
    »Lord Pembroke«, Taggart merkte, wie ihm die Galle endgültig hochkam, »nicht nur, dass Ihr mir eine Frau an Bord gebracht habt, nicht nur, dass Ihr mir ihren Zustand verschwiegen habt, nein, jetzt soll ich auch noch den Geburtshelfer spielen.« Er tat einen Riesenschritt auf den Lord zu, denn in diesem Augenblick hob ein gewaltiger Brecher das Achterkastell hoch und brachte selbst seine seefesten Beine aus dem Gleichgewicht.
    »Nein, Mylord!«, schrie er unmittelbar vor
    Pembrokes gequältem Gesicht. »Ich stehe zwar in Euren Diensten, aber was zu weit geht, geht zu weit!«
    »Sie stirbt, Captain Taggart!«
    Des Lords Gesicht war aschfahl geworden. Taggart nahm es nur schemenhaft wahr, denn der Westwind, der jetzt Orkanstärke erreicht hatte, hüllte das gesamte Schiff in Millionen feinster Wasserpartikel ein.
    »Was? Bei Satan, Beelzebub und Luzifer!« Taggart war jetzt richtig wütend. Ein toter Matrose an Bord, das mochte angehen und war fast etwas Normales, aber ein toter Passagier? Zudem eine Lady, die schwanger war und die Geburt nicht überlebt hatte? Bei Gott, das roch nach Ärger. Außerdem war er sicher, dass der Lord, wenn sie jemals wieder heil an Land kämen, nicht mehr so kleinlaut sein würde. Taggart beschloss, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Sein Blick prüfte noch einmal Kurs und Segelstellung der „Thunderbird“ dann ergab er sich in sein Schicksal.
    »Gehen wir, Mylord«, sagte er, jetzt wieder ruhiger,
    »aber ich sage Euch gleich, mehr als zehn Minuten habe ich nicht. Das Schiff braucht mich.«

    Beim Eintreten in die schmale Kabine wäre Pembroke fast über das Süll gestolpert und der Länge nach hingeschlagen. Taggart folgte ihm und erblickte eine füllige Person, auf deren Nase eine gewaltige Warze den Mittelpunkt bildete.
    »Äh ... das ist
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