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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg
Autoren: Serno Wolf
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können?«
    Der Segelmeister zögerte. Sein Kopf wanderte nach Steuerbord, wo eine turmhohe Wolkenwand nur noch wenige Meilen entfernt war. »Ich sag's nicht gern, Sir«, meinte er dann, »aber wir schaffen es wohl nicht. Fürchte, wir haben's bisher nur mit 'nem kleinen Vorgeschmack zu tun. Das dicke Ende kommt erst noch. Wir sollten Tuch wegnehmen, um westlicher halten zu können.«
    Seine Hand rieb unwillkürlich über das Wams. Taggart sah, dass die Stelle darunter wie eine Speckschwarte glänzte. »Können nur hoffen, dass der Orkan erst dann richtig einsetzt, wenn wir uns ums Cabo de Finisterre herumgestohlen haben. Anderenfalls ...« Seine Hand rieb stärker. »Die Strömungen an Spaniens Küste sind so zahm wie ein Pitbull in der Grube.«
    »Hm.« Was Loom gesagt hatte, entsprach genau Taggarts Befürchtungen. Himmel und Hölle und bei den Arschbacken Poseidons! Was würde er jetzt für ein gutes Schiff geben! Für eine englische Galeone mit niedrigem Schwerpunkt, die höher an den Wind gehen konnte und dadurch bessere Möglichkeiten böte, schnell aus diesem Schlamassel herauszusegeln! Taggart gab sich einen Ruck. Es half nichts, er musste es auch so schaffen.
    »Ihr habt Recht, Mister Loom! Wir müssen da durch.«
    Sein Kopf wies in Richtung Wolkenwand. »Auf Biegen oder Brechen! Mister Gordon, bitte lasst »Alle Mann!« pfeifen.«
    »Aye, aye, Sir!« Gordon beeilte sich, den Befehl weiterzugeben.
    »Bis auf das Marssegel am Fockmast sind sämtliche Segel in zehn Minuten gerefft, oder die Neunschwänzige tanzt einen Hornpipe auf den Rücken der Männer!«
    »Aye, aye, Sir!«
    Täuschte er sich, oder hatte der Wind tatsächlich nach Nord gedreht?
    »Wind dreht nach Nord, Sir!«, meldete Gordon in diesem Moment.
    »Was Ihr nicht sagt! Das Marssegel vom Fockmast wird als Vortrieb genügen, gleichzeitig fangen wir nicht mehr so viel Wind, die Krängung wird geringer, und die Steuerfähigkeit erhöht sich.«
    »Recht so, Sir«, pflichtete Loom ihm bei, »wenn wir dem Sturm schon nicht entwischen können, sollten wir ihn abwettern! Was meint Ihr, Sir, sollen wir für alle Fälle Ersatztuch bereitlegen, falls uns das Marssegel wegreißt?«
    »Macht das. Und lasst Äxte und Entermesser ausgeben, damit wir notfalls stehendes Gut kappen können.«
    »Aye, aye, Sir!« »Wer steht am Ruder?«
    »Higgins, Sir.«
    »Ablösen, den Mann. Er ist nicht erfahren genug. Wir sind dabei, dem Teufel ein Ohr abzusegeln. Rushmont soll seinen Posten einnehmen. Clyde unterstützt ihn. Ich will, dass wir mindestens Westsüdwest steuern. Die Männer sollen den Kolderstab so ruhig halten wie ein Waliser seinen Langbogen!« Taggart hielt inne und überlegte kurz.
    »Mister Gordon!«
    »Sir?«
    »Ihr begebt Euch ebenfalls hinunter an den Kolderstab und achtet persönlich darauf, dass jede Mütze Wind genutzt wird, um auf ablandigen Kurs zu kommen!«
    »Aye, aye, Sir!«
    Beide Männer beeilten sich, die Befehle ihres Kommandanten auszuführen. Taggart war fürs Erste beruhigt. Er hatte getan, was man unter diesen Umständen tun konnte. Der Rest lag in Gottes Hand. Sein Blick ging nach vorn, wo das Vorschiff mit dem gewaltigen Kastell mühsam durch die immer höher werdenden Wogen stampfte. Weiß schäumende Gischt spritzte an Backbord und Steuerbord hoch und setzte das Hauptdeck wieder und wieder unter Wasser. Die Mannschaft, die unter äußerster Anspannung schuftete, war bereits völlig durchnässt. Taggart wünschte sich sehnlichst, die Männer würden ihr Handwerk besser verstehen, aber sie waren, wie so oft in dieser Zeit, ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der von guter Seemannschaft so viel verstand wie die Kuh vom Tanzen. Auch die Decksoffiziere und Offiziere waren nicht mehr das, was er seinerzeit als Captain Seiner Majestät Heinrichs VIII. - gewohnt war. Gut, Gordon und Loom vielleicht ausgenommen...
    Taggart seufzte. Sein Blick wanderte weiter nach Westen, dorthin, wo das Unwetter sich immer drohender zusammenzog. Er schätzte, dass der Sturm innerhalb der nächsten Minuten Orkanstärke erreichen würde. Doch die Maßnahmen, die er befohlen hatte, zeigten jetzt erste Wirkung. Die Männer am Kolderstab korrigierten behutsam die Kursrichtung. Gut so!, dachte er. Noch hatte er alles unter Kontrolle. Seine Hand packte die reich verzierte Reling der Steuerbordseite fester, während er mit den Beinen das Schlingern des Schiffsrumpfes ausglich. Er würde diesen Riesenkahn schon über das Westmeer bringen. Auch wenn die Thunderbird
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