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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer
Autoren: Gabriel Ferry
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ihre Wangen zurückgerufen hatte, erlosch wie die rosigen Wolken nach Sonnenuntergang; dann konnte sie nur unwillkürlich wiederholen: »Fabian!«
    Aber Fabian war für sie nicht Tiburcio – Fabian war ein Unbekannter!
    In diesem Augenblick wurde die Erzählung des Gambusinos durch die Ankunft eines Dieners unterbrochen. Der Kaplan bat den Hacendero, einer Angelegenheit halber, über die er mit ihm zu sprechen habe, einen Augenblick zu ihm zu kommen.
    Don Agustin verließ den Saal, indem er versprach, daß er bald zurückkehren würde.
    Der Gambusino und das junge Mädchen blieben allein. Dieser betrachtete die unter ihrem seidenen Schleier verwirrte und zitternde Rosarita einen Augenblick schweigend und mit kaum verhehlter Freude. Ein geheimes Gefühl sagte ihr, daß Gayferos seine Erzählung noch nicht beendet hatte.
    In der Tat sagte der Gambusino leise zu ihr: »Fabian hatte noch einen anderen Namen, Señorita; wollen Sie ihn wissen, während wir hier ohne Zeugen sind?«
    Rosarita erbleichte. »Einen anderen Namen? O sagt ihn!« erwiderte sie mit bebender Stimme.
    »Man hat ihn lange Tiburcio Arellanos genannt.«
    Ein Ausruf des Glücks rang sich aus der Brust des jungen Mädchens, das sich von seinem Sitz erhob, sich dem Überbringer dieser guten Nachricht näherte, seine Hand ergriff und sie mit ausbrechender Leidenschaft an die Lippen preßte. »Dank! Dank«, rief Rosarita aus; »obgleich mein Herz es mir schon gesagt hat.« Dann schritt sie wankend durch den Saal und kniete vor einer Madonna in goldenem Rahmen nieder.
    »Tiburcio Arellanos«, nahm der Gambusino das Wort, »ist jetzt nur noch Fabian, und Fabian ist der letzte der Grafen von Mediana, einer edlen Familie in Spanien.«
    Das junge Mädchen betete immer noch, ohne daß es Gayferos' Worte zu hören schien.
    »Unermeßliche Güter, einen großen Namen, Titel, Ehre – alles legt er zu den Füßen der Frau nieder, die die seinige werden wird.«
    Das junge Mädchen setzte sein glühendes Gebet fort, ohne den Kopf umzuwenden.
    »Und dennoch«, nahm der Gambusino wieder das Wort, »hat das Herz Don Fabians von Mediana nichts von dem vergessen, was das Herz von Tiburcio Arellanos gefühlt hat.«
    Rosarita unterbrach ihr Gebet.
    »Tiburcio Arellanos wird heute abend hier sein, wenn Sie ihn anhören wollen.«
    Diesmal betete das junge Mädchen nicht mehr. Es war Tiburcio und nicht Fabian, Graf von Mediana; Tiburcio, arm und unbekannt, den sie so sehr beweint hatte. Nur bei diesem Namen hörte sie. Ehren, Titel, Reichtümer, was kümmerte sie das? Fabian lebte und liebte sie immer noch; war das nicht genug?
    »Wenn Sie sich nach der Öffnung in der Ringmauer begeben wollen, wo er Sie verlassen hat, so werden Sie ihn heute abend dort finden. Erinnern Sie sich auch des Ortes, den ich meine?«
    »O mein Gott«, murmelte das junge Mädchen; »als ob ich nicht alle Abende hinginge!«
    Und immer noch kniete Rosarita vor dem Bild der Madonna und nahm ihr unterbrochenes Gebet wieder auf.
    Der Gambusino betrachtete einige Augenblicke dieses glühende kniende Wesen, ihren seidenen, bis auf die Hüften herabwallenden Schleier, die bloßen Schultern und die langen Flechten ihres Haares, das in geschmeidigen Ringeln auf den Boden des Saales niederfiel, dann ging er ebenfalls hinaus.

79 Die Rückkehr
    Als Don Agustin Peña in den Saal zurückkehrte, fand er seine Tochter allein und immer noch auf den Knien liegend; er wartete, bis sie ihr Gebet beendet hatte. Die sichere Nachricht vom Tod Don Estévans nahm den Hacendero so in Anspruch, daß er natürlich der frommen Handlung Rosaritas einen ganz anderen Zweck, als sie wirklich hatte, unterlegte. Er dachte, daß sie heiße Gebete für die Ruhe desjenigen gen Himmel sandte, dessen geheimnisvolles Ende man eben erfahren hatte.
    »Jeden Tag«, sagte er, »soll der Kaplan ein ganzes Jahr lang auf meinen Befehl eine Messe für Don Estévan lesen, denn dieser Mann hat von der Gerechtigkeit Gottes gesprochen, die sich in der Steppe erfüllt hat. Das sind gewichtige Worte, und die Art, wie er sie ausgesprochen hat, läßt keinen Zweifel an deren Wahrheit zu.«
    »Gott sei seiner Seele gnädig«, erwiderte Rosarita aufstehend; »er gewähre ihr Barmherzigkeit, wenn sie deren bedarf!«
    »Gott sei seiner Seele gnädig!« wiederholte Don Agustin feierlich. »Die Seele des edlen Don Estévan de Arechiza war keine gewöhnliche Seele oder vielmehr, damit du es endlich erfährst, Rosarita, die Seele Don Antonios von Mediana, zu seinen
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