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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer
Autoren: Gabriel Ferry
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der Gambusino in dem Augenblick, wo er an ihm vorüberritt, mit ungeduldiger Miene; offenbar war es nicht derjenige, den er suchte.
    Der Tag ging hin, und es war schon spät, als Gayferos drei Reisende im Trab auf sich zukommen sah. Bei ihrem Anblick stieß er einen Freudenruf aus: es waren der Kanadier, Pepe und Fabian von Mediana. Der Riese saß auf einem kolossalen Maultier. Fabian und Pepe ritten die prächtigen Pferde, die sie den Indianern abgenommen hatten.
    Der junge Mann hatte sich sehr verändert, seit man ihn zum erstenmal in der Hacienda del Venado gesehen hat. Schmerz und Trauer hatten seine Wangen gebleicht, seine Stirn mit Runzeln durchzogen, und in seinen Augen brannte ein düsteres Feuer, entzündet von der Leidenschaft, die sein Herz erfüllte. Mußte dieses Antlitz, dessen Züge die Sonne und die Anstrengungen veredelt hatten, Doña Rosarita nicht jene Liebe ins Gedächtnis rufen, die sie glücklich und stolz gemacht hatte?
    Im übrigen sahen die Jäger ganz unverändert aus, und die sieben Monate eines tollen Abenteuerlebens hatten ihre männlichen Gestalten, ihre braunen Gesichter nicht ermüdet. Sie zeigten sich nicht im geringsten überrascht, als sie den Gambusino erblickten. Nur eine gewisse Neugier sprach aus ihren Augen, die Gayferos durch einen einzigen Blick befriedigte.
    Nur Fabian schien erstaunt, den alten Begleiter hier wiederzufinden. »Hast du uns also bei Tubac nur verlassen, um uns hier voraus zu sein?« fragte er.
    »Gewiß. Sagte ich's denn damals nicht?« antwortete Gayferos.
    »Ich hatte es anders aufgefaßt«, murmelte Fabian und verfiel dann wieder in das düstere Schweigen, das ihm eigentümlich geworden war.
    Gayferos wandte sein Pferd, und die vier Reisenden setzten schweigend ihren Ritt fort.
    Ungefähr noch eine Stunde, in der Gayferos und der Kanadier allein einige Worte mit leiser Stimme wechselten, ohne daß Fabian, der immer noch in Gedanken versunken war, darauf geachtet hätte, boten sich die Erinnerungen einer Vergangenheit, die noch nicht sehr fern lag, in Menge dem Gedächtnis der drei Reiter dar. Sie ritten abermals durch die Ebene, die sich jenseits des Salto de Agua ausdehnte; dann kamen sie einige Augenblicke nachher an den Waldstrom selbst, der immer noch zwischen den Steinen seiner Ufer dahinrauschte; eine ebenso plumpe Brücke als die frühere hatte diejenige ersetzt, die die Männer, die nun den ewigen Schlaf in jenem Val d'Or, dem Gegenstand ihres ehrgeizigen Strebens, schliefen, in den Waldstrom gestürzt hatten.
    Der Kanadier war einen Augenblick vom Pferd gestiegen. »Sieh Fabian«, sagte er, »hier hielt Don Estévan; die vier Banditen – ich verstehe darunter jedoch nicht den armen Diaz, den Schrecken der Indianer – befanden sich dort. Sieh, da ist noch die Hufspur deines Pferdes, als es auf dem Felsen ausglitt und dich in seinem Fall mit hinabzog. Sieh, Fabian, mein Kind, ich sehe noch, wie das Wasser über dir schäumt; es ist mir, als ob das Echo noch einmal den Angstschrei wiederholte, den ich ausgestoßen habe. Welch ein ungestümer junger Mann warst du doch damals!«
    »Und heute«, sagte Fabian traurig lächelnd, »bin ich also nicht mehr derselbe?«
    »O nein! Heute ist deine Stirn männlich und unempfindlich wie die eines indianischen Kriegers, der bei den Martern am Pfahl lächelt; dein Gesicht ist ruhig diesen Orten gegenüber; und doch zerreißen dir diese Erinnerungen das Herz, das weiß ich gewiß. Nicht wahr, Fabian?«
    »Du irrst dich, mein Vater«, erwiderte Fabian; »mein Herz ist wie dieser Felsen, auf dem ich, was du auch darüber sagen magst, die Spur der Hufe meines Pferdes nicht mehr erblicke; und mein Gedächtnis ist stumm wie das Echo deiner eigenen Stimme, die du noch zu hören wähntest. Ich habe dir gesagt, als du mir – ehe wir zurückkehrten, um für immer fern von den Menschen in der Steppe zu leben – als letzte Prüfung die auferlegt hast, alle Orte meiner Erinnerungen wiederzusehen, daß diese Erinnerungen gar nicht mehr da sind.«
    Eine Träne benetzte die Augen des Kanadiers, aber er verbarg sie, indem er Fabian den Rücken zukehrte, um sein Maultier wieder zu besteigen. Die Reisenden ritten über die Brücke von Baumstämmen.
    »Findest du hier auf diesem Moos, auf dieser Erde die Spur der Schritte meines Pferdes wieder, als ich Don Estévan und seine Schar verfolgte?« fragte Fabian Bois-Rosé. »Nein, die von den Bäumen im letzten Winter gefallenen Blätter haben sie bedeckt; das Gras der Regenzeit ist
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