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Der Wald - ein Nachruf

Der Wald - ein Nachruf

Titel: Der Wald - ein Nachruf
Autoren: Peter Wohlleben
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echte Wälder zu sehen.
    Die Übertragbarkeit auf weitere Gebiete demonstrieren ebenso unbeugsame Waldbesitzer anderer Regionen, etwa die des Waldgebiets Hainich in Thüringen. Auch dort gibt es Plenterwälder, die im Gegensatz zu denen des Alpenraums mit seinen Buchen, Tannen und Fichten ausschließlich aus Laubbäumen bestehen.

Hoffnung Generationswechsel?
    Die Hoffnung ruht auf der Jugend. Dieses alte Prinzip sollte auch im Wald Gültigkeit haben. Wenn dereinst die alten Förster in Pension gehen, werden sie durch frische, dynamische ersetzt, die den Wäldern wieder aufhelfen können. Auch hier in Hümmel bieten wir in jedem Jahr zwei Praktikumsplätze an, um das erworbene Wissen weiterzugeben. Für mich ist es nebenbei eine Art Training, bei dem ich meine Kenntnisse überprüfen und gut verständlich formulieren muss. Zudem werde ich so auf dem Stand des aktuellen Fachwissens gehalten. Und das ist vielfach erschreckend. Eine ganz banale Frage, die ich den jungen Leuten stand ardmäßig stelle, ist die nach der Größe ausgewachsener Bäume. Schließlich sollte man die Wesen, die uns anvertraut werden, wenigstens von den Eckdaten her kennen. Wie hoch wird eine Fichte, welchen Kronendurchmesser erreicht eine erwachsene Buche? Da ernte ich oft nur weit aufgerissene Augen oder höre viel zu kleine Werte. Wie alt so ein Baum denn werden könne? 100 oder 200 Jahre, kommt es dann zaghaft zurück. Und das ärgert mich gewaltig. Studenten erfahren scheinbar nichts über die sagenhaften Entdeckungen in Schweden mit ihren fast 10 000 Jahre alten Fich ten, über die Kommunikation zwischen den Bäumen oder ihr extrem langsam erfolgendes Jugendwachstum. Was die Hochschüler hingegen bestens parat haben, ist Fachwissen zum Betrieb von Plantagen. Welche Maschine wann wo eingesetzt werden muss, welche Chemikalien einzusetzen sind oder wie ein Baum zu schnellstem Wachstum angeregt werden kann, um ihn rasch zu ernten – davon wissen sie viel zu erzählen. Auch das gute Öko-Image von Holz ist schon fest in den Köpfen verankert. So viel wie möglich davon solle die Wirtschaft verwenden – jeder gefällte und verarbeitete Stamm sei ein Segen für die Natur.
    Was nicht vermittelt wird, sind Respekt und Liebe für das einzigartige, komplizierte Ökosystem Wald. Wo eigentlich Langsamkeit gefragt wäre, wird Geschwindigkeit gelehrt, wo genaues Hinsehen erforderlich wäre, herrscht grobes Verallgemeinern.
    Die Misere beginnt schon mit einer Art Filter. Menschen fühlen sich zumeist nur unter Gleichgesinnten wohl und das ist bei Studenten nicht anders. Diese Gesinnung wird bereits durch die Rahmenbedingungen vorgegeben. So ist es an einigen Fakultäten immer noch erlaubt, Hunde mit in die Vorlesung zu bringen. Diese Ausnahmeregelung gilt nicht für alle Studenten, wohl aber für angehende Förster. Und damit werden die Hochschüler beruflich in eine völlig falsche Richtung gelenkt. Immerhin sollen sie später als Beamte und Angestellte, überwiegend in öffentlichen Verwaltungen, Dienstleistungen für die Bevölkerung erbringen. Stellen Sie sich einmal vor, an jeder Kasse eines Supermarkts säße ein grimmiger Schäferhund. Wie oft würden Sie dort noch einkaufen gehen? Ruppige Jagdhunde, die jede Erziehung vermissen lassen und Spaziergänger anspringen, sind häufige Begleiter meiner Berufskollegen und werden gern zu dienstlichen Anlässen jeglicher Art mitgenommen. Das ist in der heutigen Zeit, in der die Orientierung am Wohl des Kunden höchste Priorität genießt, nicht mehr angebracht. Doch wenn schon an den Hochschulen suggeriert wird, so etwas gehöre zur Grundausstattung, dann wird sich daran so schnell nichts ändern.
    Weiter geht es mit der Kleidung. Je schlampiger und dreckiger, desto besser. So zumindest präsentieren sich mir etliche Anwär ter auf ein Praktikum bei ihrem Vorstellungsgespräch und so treten viele ihren Dienst in Hümmel an. Ich komme mir manchmal wie ein Erziehungsberechtiger vor, wenn ich in langen Gesprächen klarmachen muss, dass unsere Kunden gern zuvorkommend behandelt werden. Und dazu gehören nun einmal gewaschene Haare, der Gebrauch von Deo und einigermaßen saubere Kleidung. Gewiss, ein Förster darf als solcher erkennbar sein, aber muss er zehn Meter gegen den Wind stinken? Auf meine Frage, warum er denn mit völlig verdreckter Hose und verschwitztem T-Shirt zu einem wichtigen Kundentermin erschien, antwortete mir ein Student: »Aber man darf doch sehen, dass ich gearbeitet habe!«
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