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Der Wald - ein Nachruf

Der Wald - ein Nachruf

Titel: Der Wald - ein Nachruf
Autoren: Peter Wohlleben
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ab, so geht dies alles verloren. Nicht nur Affen, Faultiere und seltene Schmetterlinge verschwinden für immer, sondern auch der empfindliche Boden. Denn die geologisch besonders alte Erde enthält kaum Mineralien. Der Wald hält diesen kargen Vorrat im stetigen Kreislauf fest – was hinunterfällt, wird von Kleinstlebewesen zersetzt und gleich wieder von den Bäumen aufgenommen. Verschwinden die Urwaldriesen durch Abholzung, so gehen auch die Nährstoffe verloren. Sie werden mit den Regengüssen fortgespült, zurück bleibt karges, unfruchtbares Land. So meinte man jedenfalls bisher. Doch wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung im August 2008 berichtete, entdeckten Forscher im heutigen Regenwald ausgedehnte historische Siedlungsgebiete der Ureinwohner. 62 Vor vielen Jahrhunderten dehnten sich im südlichen Amazonasgebiet Städte, Ackerflächen, Wege und Straßen aus. Gräben und Aufschüttungen zeugen von intensiven Bauarbeiten, die nach dem Erlöschen der Kultur wieder vom Regenwald verschluckt wurden. Dies ist beispielsweise im Bundesstaat Rondonia der Fall, in dem heutzutage rücksichtslos abgeholzt wird und nun die Zeugen der Vergangenheit zur Überraschung der Wissenschaftler an Stellen auftauchen, an denen es sie gar nicht geben dürfte. Weite Teile der für ursprünglich gehaltenen Wildnis sind es möglicherweise gar nicht, der sogenannte Primärwald ist vielerorts in Wahrheit ein Sekundärwald, also erst nach massiver menschlicher Einflussnahme wieder neu entstanden. Abgesehen davon, dass so auch der Mythos vom ökologisch korrekten Ureinwohner ein wenig entzaubert wird, widerspricht diese Entwicklung der These, ein einmal abgeholzter Regenwald sei für alle Zeiten verloren. Damit sind die bis dato gültigen wissenschaftlichen Annahmen zur Waldregeneration zumindest in ihrer Allgemeingültigkeit widerlegt. Sollte das möglicherweise auch für unsere Gefilde gelten?
    Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Urwälder auch bei uns eine neue Chance erhalten. Dazu sind wir in meinen Augen schon allein moralisch verpflichtet. Denn solange wir nicht vor der eigenen Haustüre kehren, brauchen wir nicht mit Tränen in den Augen nach Malaysia oder Indonesien zu schauen und das Aussterben der Orang-Utans zu beklagen. Aber da sind ja noch Sie. Hätten Sie nicht Lust, Ihren Waldhütern einmal ein wenig auf die Finger zu sehen? Oder bei der nächsten Stadt- oder Gemeinderatssitzung dabei zu sein, bei der Waldfragen verhandelt werden, gar zuvor eine Eingabe zu machen? Vielleicht dem staatlichen Forstamt um die Ecke unangenehme Fragen zu stellen? Es lohnt sich in jedem Falle, denn es ist Ihr Wald, es sind Ihre Bäume, die Hilfe brauchen. Jetzt.

Quellenverzeichnis
    1 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) (2011): Unser Wald. Berlin
    sowie: Bundesamt für Umwelt BAFU: Waldfläche.
    www.bafu.admin.ch/wald/01198/01201/index.html?lang=de . Stand 07. 09. 2012
    sowie: Bundesforschungszentrum für Wald (2012): Österreichs Wald. Wien
    2 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) (2011): Unser Wald. Berlin
    3 Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt schaft (2012): Holzeinschlag 2011 gestiegen – Schadholzanteil weiter rückläufig.
    www.lebensministerium.at/forst/oesterreich-wald/wirtschaftsfaktor/rohstoff-holz/ holzeinschlag_2011.html . Stand 07. 09. 2012
    sowie: Hofer P. et al. (2011): Holznutzungspotenziale im Schweizer Wald. Auswertung von Nutzungsszenarien und Waldwachstumsentwicklung. Bundesamt für Umwelt. Bern. Umwelt-Wissen Nr. 1116
    sowie: Statistisches Bundesamt: Forstwirtschaft – Gesamteinschlag nach Baumartengruppen. www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/LandForstwirtschaft/Forstwirtschaft/Tabellen/GesamteinschlagHolzartengruppen.html . Stand 07. 09. 2012
    4 Schutzgemeinschaft Deutscher Wald: Was leistet der Wald für uns?
    www.sdw.de/waldwissen/oekosystem-wald/waldleistungen. Stand 07. 09. 2012
    5 Denzler, L. (2007): Der Bödmerenwald unter der Lupe. www.waldwissen.net/ wald/naturschutz/monitoring/wsl_boedmerenwald/index_DE.
    Stand 25. 09. 2012
    6 Boland, W. (2007): Wehrhafte Pflanzen: Abwehr und Kommunikation mit Düften. In: Labor & more, 1, S. 34–39
    7 ZDF.umwelt: Raubbau am Wald. Sendung vom 16. 06. 2011
    8 Zimmermann, R. (2011): Erfassung und Operationalisierung von ökosystemaren Funktionen und Dienstleistungen im Hinblick auf eine nachhaltige Waldnutzung. Diplomarbeit am Institut
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