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Der Wald - ein Nachruf

Der Wald - ein Nachruf

Titel: Der Wald - ein Nachruf
Autoren: Peter Wohlleben
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geblieben. Hier bei uns konnten die Neuankömmlinge daher sorglos wach sen, denn Douglasienschädlinge gab es hier nicht. Das änderte sich jedoch mit der Zeit, wie ein Beispiel verdeutlichen mag. Grundsätzlich galt, dass der Furchenflügelige Fichtenborkenkäfer keine Douglasien befällt. Doch vor einigen Jahren berichtete die Fachpresse Alarmierendes aus Österreich. Dort wurden plötzlich ganze Douglasienbestände von diesen Insekten attackiert, die etliche der Bäume zum Absterben brachten. 60 Offensichtlich hatte es einige Dekaden gebraucht, bis die Käfer auf den Geschmack gekommen waren.
    Im Zuge des ungebremsten globalen Handels kommen die Peiniger oft mit großer Verzögerung bei uns an. Im Sommer 2007 erhielt ich einen Anruf des Bürgermeisters der Nachbargemeinde. Ich solle mir einmal die Bäume neben dem Gemeindehaus ansehen, da seien monsterartige Blattläuse zugange. Tatsächlich, schon beim Einbiegen auf den Parkplatz sah ich unter den Nadelbäumen einen klebrigen Belag auf dem Boden. Bei den befallenen Bäumen handelte es sich um Coloradotannen. Solche Koniferen werden seit Jahrzehnten in europäischen Gärten und Parks kultiviert und auch bei mir am Forsthaus steht ein Exemplar. Bisher war die Art unauffällig. Die beiden Bäume am Gemeindehaus waren jedoch über und über mit fetten, schwarzen Läusen besetzt. Mehr als einen halben Zentimeter Länge maßen die größten unter ihnen. Ihr zuckersüßer Kot erzeugte einen klebrigen Nieselregen, der nicht gerade schön für ein öffentliches Gebäude war. Ich hatte bis dato noch nichts von den kleinen Monstern gehört und musste erst einmal nach Hause fahren, um mich auf den Homepages der Forschungsinstitute zu informieren. Es handelte sich offensichtlich um Coloradotannentriebläuse, die es bisher bei uns nicht gegeben hatte. Sie wurden mit Waren aus Nordamerika bei uns eingeschleppt und werden nun wohl auch auf Dauer bleiben. Zwar schaden sie den Coloradotannen nicht übermäßig, jedoch kann diese Baumart aufgrund der ungebetenen Gäste für den Garten nicht mehr empfohlen werden.
    Waldwirtschaft ist eine langfristige Angelegenheit. Im Zweifelsfall sollte man daher auf Bewährtes setzen. Ich verstehe meine Kollegen nicht, wenn sie ohne Not fremde Baumarten anpflanzen und das Risiko, das Nachzügler in Form von Pilzen oder Insekten mit sich bringen können, einfach ignorieren. Denn ob sich nicht heimische Nadelhölzer wirklich lohnen, können erst mehrere Generationen nach uns beurteilen.
    Gefahren von Exoten drohen aber nicht nur durch experimentierfreudige Förster. Auf den Wald kommen durch den globalen Handel Risiken zu, die manche Art an den Rand des Aussterbens bringen kann. Ein trauriges, frühes Beispiel sind Ulmen. Ihnen geht es seit den 1960er-Jahren ans Leder. Denn mit Holzimporten aus Asien wurde eine aggressive Pilzart eingeschleppt. Normalerweise kann sich ein Baum gut gegen Pilzattacken wehren, aber in diesem Fall gibt es mit dem Ulmensplintkäfer einen Wegbereiter. Er bohrt sich in seine Lieblingsbäume, um dort ein wenig zu fressen. Das funktionierte viele Tausend Jahre problemlos, bis der asiatische Import ins Spiel kam. Denn die Käfer verbreiten unge wollt die Pilzsporen und bringen diese beim Einbohren durch die Borke mit ins Holz. Ist die Rinde als letzte Barriere gegen Infektionen überwunden, so fängt der Pilz an, das Holz zu befallen. Er wuchert in den äußeren Jahresringen, die für den Wassertransport zuständig sind. In seiner Not versucht der Baum, die befallenen Areale abzuriegeln, indem er die Leitungen verstopft. Damit fließt aber auch kein Wasser mehr, und im weiteren Verlauf ver durstet die Ulme. Das Ulmensterben ist schon über ganz Europa, ja sogar Nordamerika gezogen und hat dafür gesorgt, dass die verschiedenen Arten lokal ausgestorben sind.
    Auch von der Industrie droht Ungemach. In Holzpaletten, auf denen Waren aus China geliefert werden, gelangte ein Laubholzbockkäfer in die Umgebung von Bonn. Hier entfloh er und befiel heimische Laubbäume, in deren Äste er daumendicke Löcher bohrte. Die befallenen Stämme brachen ab, die Bäume starben. Ähnliche Käfer waren in Zierpflanzen versteckt, die 2008 über Lebensmitteldiscounter vertrieben wurden. Im globalen Handel bedeuten Vorsicht und Quarantänemaßnahmen jedoch finanzielle Einbußen, die das Wachstum bremsen und den Warenverkehr hemmen. Der Verzicht auf solche Vorkehrungen gefährdet unsere Umwelt und unsere Wälder, die einmal mehr das Nachsehen
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