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Der Wald - ein Nachruf

Der Wald - ein Nachruf

Titel: Der Wald - ein Nachruf
Autoren: Peter Wohlleben
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Umweltschutz schließen sich auf dem heutigen Niveau der Industrie aber aus. Wer beides will, muss einen Aspekt opfern. Und welcher das ist, wissen wir alle. Damit zumindest unser Gewissen beruhigt wird und wir weiter ohne Albträume schlafen können, bietet uns die Politik das Gutenachtmärchen von der sauberen grünen Energie aus Pflanzen an.
    Warmzeit
    Apropos Klimawandel. Welche Auswirkungen hat es überhaupt für Bäume, wenn es wärmer wird? Das möchte ich gern am Beispiel meiner Lieblingsbaumart erklären. Buchen können sich genetisch sehr stark voneinander unterscheiden und damit ganz verschiedene Eigenschaften aufweisen. In der Vergangenheit, als das Klima während der Kleinen Eiszeit (Anfang des 15. Jahrhunderts bis etwa 1900) stark abkühlte, war das Überleben der Art nur gesichert, weil es genügend Individuen gab, die damit zurechtkamen. Und ähnlich wird es in der Zukunft sein: Nicht alle Buchen kommen damit zurecht, aber es wird etliche Kandidaten geben, denen die Wärme wenig anhaben kann. Es dürfen nach neuesten Forschungsergebnissen aus Bayern wohl ein paar Grad mehr sein, bevor diese Baumart die Segel streicht. 58 Bei welchen Temperaturen das genau sein wird, kann niemand sagen. Denn es hängt von vielen Faktoren ab, wie viel die Buchen aushalten.
    Die schlimmste Folge der steigenden Temperaturen wird vermutlich ein sommerlicher Wassermangel sein. Denn wenn es wärmer wird, verdunstet Wasser zum einen schneller. Zum anderen verbrauchen die Bäume dann auch mehr, außerdem soll es grundsätzlich weniger regnen. Und nun kommt die Befahrung der Böden mit schwerem Gerät ins Spiel. Wenn diese dadurch bis zu 95 Prozent ihrer Wasserspeicherkapazität verlieren, können sie während des Winters weniger speichern, sodass die Winterniederschläge kein Reservoir für den Sommer mehr sind. 59 Der Klimawandel wird Wälder auf solchen Böden daher nicht erst bei einer Temperaturerhöhung von zwei Grad treffen, sondern er trifft sie schon heute. Sie verdursten in der Hitze und die sichtbaren Schäden werden dem sogenannten Treibhauseffekt zugeschrieben.
    Umgekehrt kann ein Wald mit intaktem Untergrund viel mehr aushalten. Dazu zwei Beispiele: Ich habe während meines Studiums an einer Exkursion in einen Kiefernwald in Franken teilgenommen. Dieser Forst lag in einer sehr niederschlagsarmen Gegend. In Kombination mit dem Sandboden und dem warmen Weinbauklima war es ein regelrechter Hungerstandort für einen Wald. Nun wollte man dort ökologisch wirtschaften und hatte vor langer Zeit unter die Kiefern kleine Buchen gepflanzt. Sie sollten mit ihrem Laub für eine Abmilderung der sauren Nadel streu sorgen, damit Regenwürmer und Co wenigstens etwas brauchbare Nahrung fanden und guten Humus produzierten. Eigentlich ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, gilt die Buche auf solch trockenen Böden doch normalerweise als unbrauchbar. An diese Prognose haben sich die Bäume aber nicht gehalten. Sie wuchsen und wuchsen über die Jahrzehnte immer höher, der Boden unter ihnen blühte regelrecht auf und irgendwann hatten sie die Kiefern überwachsen. Und so war aus dem Nadelforst ein Laubwald geworden.
    Dieser Wald wurde uns als Beispiel dafür gezeigt, dass sich ein Wald sein Klima selber macht. Durch die neue Humusschicht konnte der Boden viel mehr Wasser speichern als früher und die Bäume überstanden die warme Jahreszeit ohne Wassermangel.
    Das zweite Beispiel stammt aus meinem eigenen Revier und hier wieder aus den alten Buchenwäldern. Im Rekordsommer 2003 wurde es für viele Bäume eng, da es ein halbes Jahr lang nicht nennenswert regnete. In den durchforsteten Beständen verloren etliche Laubbäume schon im August einen großen Teil der Blätter, um die Verdunstung radikal zu drosseln und nicht einzugehen. Die unberührten Parzellen mit intaktem Urwaldboden dagegen blieben kräftig grün und die Buchen schienen von der Hitzewelle völlig unbeeindruckt.
    Dieses Phänomen trifft man überall in der Natur, selbst bei Ihnen und mir. Fühlen wir uns wohl, sind wir also seelisch ausgeglichen und körperlich gesund, so werden wir kaum krank. Stress in Beruf oder Familie macht uns dagegen anfällig für Infektionen. Und den Bäumen ergeht es nicht anders. Werden sie durch die Forstwirtschaft gequält, halten sie kaum noch weitere Belastungen aus. Doch statt die Wälder endlich zu schonen, wird an anderen Lösungen gebastelt.
    Fremdlinge und ihr Gefolge
    Es könnte so einfach sein. Förster bräuchten nur mit den
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