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Der Wald - ein Nachruf

Der Wald - ein Nachruf

Titel: Der Wald - ein Nachruf
Autoren: Peter Wohlleben
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selber aus. Im Zug des Ausbaus der Bioenergie gerät Holz mehr und mehr in den Fokus. Denn die Klimaziele der Politik sind nur durch den Ersatz von Kohle und Öl durch Biomasse zu erreichen. Ihre Verbrennung gilt als CO 2 -neutral, ihre Produktion per se als problemlos. Folgerichtig stellten wir schon vor 20 Jahren unsere Ölheizung ab und feuern seitdem nur noch mit Holz. Den Strom beziehen wir von Greenpeace und damit müsste unser Haushalt eigentlich klimaneutral versorgt werden.
    Der gute Ruf des Holzes beruht auf einer einfachen Annahme. Jeder Baum nimmt beim Wachstum CO 2 auf, welches er mithilfe von Sonnenenergie und Wasser in Zucker, Zellulose und Lignin umwandelt. Daraus baut er das Holz auf. Stirbt der Baum, so zersetzen ihn Insekten, Bakterien und Pilze, wobei sie CO 2 freisetzen, und zwar exakt die Menge, die der Baum beim Wachsen aufgenommen hat. Wenn nun der Mensch anstelle der Natur den Baum erntet und in Stücke hackt, so geben die Scheite beim Verbrennen im Ofen nicht mehr CO 2 ab, als das im Wald beim Verrotten der Fall ist. Für die Atmosphäre ist die Belastung daher gleich null, zumal bei geregelter Forstwirtschaft an derselben Stelle im Wald sofort ein neuer Schössling gepflanzt wird, der nun seinerseits wieder CO 2 aufnimmt – ein ewiger Kreislauf. Gibt es ein schöneres Sinnbild für erneuerbare Energien? Wäre es nicht erstrebenswert, wenn möglichst viele Menschen so heizen würden?
    Es gibt einen Spruch über diesen rustikalen Brennstoff: Holz macht zweimal warm. Einmal beim Hacken und dann beim Verheizen. Bei mir spielte irgendwann der Rücken nicht mehr mit, eine Bandscheibe musste sogar entfernt werden. Um dennoch weiter klimaneutral zu bleiben, ließen wir eine Pelletheizung in unser Forsthaus einbauen. Pellets sind kleine Holzröllchen, die aus Säge spänen gepresst werden. Diese Röllchen können in Tanklastern transportiert werden, lassen sich im Keller in großen Bunkern lagern und können vollautomatisch verheizt werden. Dazu trans portiert eine computergesteuerte Förderschnecke gleichmäßig eine kleine Menge in den Brenner, der sie verfeuert und damit das Wasser im Heizkreislauf erwärmt. Im Prinzip ist solch eine Anlage so bequem wie eine Öl- oder Gasheizung, zumindest wirbt die Branche mit diesen Vorteilen. Mit Holz heizen, ohne einen Finger krumm zu machen? Genau das Richtige für meinen Rücken, und so arbeitet seit Frühjahr 2009 eine Pelletzentralheizung in unserem Keller. Die Bequemlichkeit ist nicht ganz so hoch wie versprochen, denn der Aschekasten muss regelmäßig entleert und die Wärmetauscher mit einer Drahtbürste gereinigt werden – eine staubige Angelegenheit. Das würde mich nicht weiter stören, wenn ich nicht bei Recherchen über ganz andere Dinge gestolpert wäre.
    Aufgrund meiner Bücher stehe ich in Kontakt zu einer Reihe von Umweltschützern und Forschern. Einer davon, ein leitender Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts in Jena, ließ mir einen Bericht über Kohlenstoffkreisläufe zukommen: die Studie CarboEurope-IP, veröffentlicht Anfang 2009. 56 Rund 400 Wissenschaftler aus Europa und Übersee hatten jahrelang ermittelt, welche Landnutzungsformen sich wie auf das Klima auswirken. In dem Bericht war auch ein Kapitel zum Thema Wald enthalten. Was ich da las, ließ meine heile Welt der Klimaneutralität zusammenbrechen. Denn laut dieser Studie sind Wälder keine Kohlenstoffkreisläufe von ewigem Werden und Vergehen. In Urwäldern sterben immer wieder Bäume und diese werden von Organismen zersetzt, allerdings nicht vollständig. Ein Anteil organischer Masse reichert sich im Boden an, gleichsam weggeschlossen wie in einem Tresor. Denn unter dem Laub ist es kalt und dunkel, sodass jedes Leben erlahmt. Aus diesen Resten bilden sich im Lauf der Jahrtausende Vorstufen von Kohle. Rund die Hälfte der Biomasse eines Walds wird so im Keller des Ökosystems gespeichert, aber nur dann, wenn der Mensch nicht dazwischenpfuscht. Sobald Bäume gefällt werden, gelangen Licht und Wärme auf den Boden. Das lässt Bakterien und Pilze zu Höchstform auflaufen, die auch den Bodenkohlenstoff wieder abbauen. Der Tresor wird geplündert und das gespeicherte CO 2 entweicht in die Atmosphäre. Und damit nicht genug: In bewirtschafteten Wäldern gibt es im Vergleich zu Urwäldern gleicher Größe nur etwa ein Drittel oberirdischer Biomasse (vor allem Bäume). Kein Wunder, werden die Bäume in unseren Forsten doch schon in jungen Jahren gefällt, bevor sie zu mächtigen
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