Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
kümmern, und du könntest dort oben gemütlich im Trockenen sitzen.«
    Wield zuckte nur gleichgültig mit den Schultern, und sein zerklüftetes Gesicht zeigte so wenig Reaktion auf den waagerecht durch die Luft wirbelnden Schneeregen wie die Felsspalten von Scafell.
    Er wußte, daß man nicht aus Büchern etwas lernte, sondern von den Mitmenschen. Wie von dem anderen George, George Creed. Er würde in Zukunft ein ganzes Stück genauer zuhören, wenn der sich über das Wetter ausließ! Und noch etwas wußte er ganz genau, der Dicke würde nie gemütlich im Trockenen sitzen, da mochte er noch so hoch aufsteigen.
    Er sagte: »Ja, Sir. Ich nehme an, Sie wollen sich vor Ort einen Überblick verschaffen, bevor Sie rauf zum Haus fahren?« Es war eine schlichte Feststellung gewesen, keine herausfordernde Frage.
    Seufzend erwiderte Dalziel: »Wenn du das von mir erwartest, Wieldy, dann sollte ich es wohl besser tun. Hol mir doch das Regenzeug aus dem Kofferraum, damit ich nicht schon durchgeweicht bin, bevor es überhaupt losgeht.«
    Dalziels Anblick, wie er hinter der beschlagenen Scheibe Regenschutz und Gummistiefel anzog, erinnerte Wield an einen Film, in dem Houdini sich in einem riesigen Glasbehälter aus seinen Fesseln gewunden hatte.
    Ein letztes krampfhaftes Erbeben des Autos, und der Dicke war frei.
    »Gut«, sagte er. »Wo geht’s lang?«
    »Hier lang.«
    In diesem Augenblick stellte Mutter Natur, wie es sich bei dem Auftritt einer Hauptfigur auf ihrer Bühne gehörte, mit dem perfekten Sinn für den richtigen Zeitpunkt die Windmaschine ab und ließ den Vorhang aus Schneeregen durchsichtig werden.
    »Donnerwetter«, sagte Dalziel, das ungläubige Erstaunen eines Generals des Großen Krieges auf dem Gesicht, der zufällig auf ein Schlachtfeld geraten ist. »Haben die hier die holländische Ulmenkrankheit [5] gehabt oder was?«
    Zu beiden Seiten der Auffahrt erstreckte sich ein breiter, ehedem bewaldeter Streifen, dessen Bäume herausgerissen worden waren, und dieses Band der Trostlosigkeit, das vermutlich im Bogen um das ganze Haus verlief, war von zwei Zäunen begrenzt, von denen der äußere eine schlichte Hecke aus Stacheldraht war, der innere jedoch, technisch weitaus raffinierter, aus einer an die vier Meter hohen Sicherheitswand mit Flutlicht und Videokameras im Abstand von zehn Metern bestand.
    Weder das Licht noch wahrscheinlich die Kameras waren sonderlich nützlich, wenn der Wind, der nun wieder einsetzte, wogende Hindernisse in Form von Schneeregen und Baumresten über das verwüstete Land pustete.
    Wield sagte: »Das sind die Vorsichtsmaßnahmen, von denen ich sprach, Sir. Wir haben Bohlen ausgelegt. Versuchen Sie, nicht danebenzutreten, sonst hilft nur noch ein Flaschenzug.«
    Machte Wield sich über ihn lustig? Mit geziertem Schritt betrat der Dicke das erste Brett und spürte, wie es in dem klebrigen Schlamm nachgab. Der Sergeant war wohl wieder einmal nichts weiter als präzise gewesen.
    Der hölzerne Steg verlief im Zickzack durch den Sumpf, umging die von den entwurzelten Bäumen hinterlassenen Krater und endete schließlich am Rand eines der größten und tiefsten der wassergefüllten Löcher. Hier war man ein wenig durch eine Zeltleinwand geschützt, auch wenn jeder Windstoß sie wegzuwehen drohte, mitsamt den beiden Polizisten, die ihre ganze Kraft einsetzten, um die in dem nachgebenden Lehm verankerten Metallstäbe zu halten.
    Auf dem Boden des Kraters machte jemand Fotos, und im Schein des Blitzlichts erkannte man oben am Rand eine weitere Gestalt, die sich zusammenkauerte, um möglichst von der im Winde flatternden Zeltleinwand zu profitieren. Sie musterte etwas in einem Plastikbeutel.
    »Gütiger Himmel«, sagte Dalziel. »Das ist doch nicht etwa Troll Longbottom?«
    »Mr. Longbottom, ja, Sir«, sagte Wield. »Er und Dr. Batty, das ist der Direktor der Forschung von ALBA , waren anscheinend gerade beim Abendessen, als die Wachleute anriefen, um ihm den Vorfall zu melden. Dr. Batty ist oben im Haus.«
    »Und Troll hat ihn begleitet? Der muß wohl beim Kartenspielen am Verlieren gewesen sein.«
    Thomas Roland Longbottom, Leitender Pathologe des Stadtkrankenhauses, war berüchtigt für seine höchst geringe Begeisterung für Ortstermine. »Wer gern rausgerufen wird, soll für den Pannendienst des Automobilclubs arbeiten«, hatte er mal zu Dalziel gesagt.
    Seine Vornamen waren schon in seiner Kindheit zu Troll zusammengezogen worden, und ob sein Spitzname seine berufliche Begeisterung für
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher