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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens
Autoren: Reginald Hill
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totes Fleisch und versprengte Knochen vorherbestimmt hat, ist eine Frage für Psycholinguisten. Dalziel bezweifelte es. In der Schule hatten sie derselben Rugbymannschaft angehört, und der Dicke behauptete, miterlebt zu haben, wie Longbottom mit dreizehn das Ohr eines Spielers der gegnerischen Mannschaft verschlang.
    Mit gezierten Schritten umrundete Dalziel den Krater und machte den Pathologen auf sich aufmerksam, indem er ihn am Kragen des Mohairmantels zog, den dieser über seiner Smokingjacke trug.
    »Wie geht’s, Troll? Gut, daß du gekommen bist. Feinmachen hättest du dich aber nicht brauchen. Du kriegst ja lauter Schlammspritzer auf deine Hemdbrust.«
    Longbottom schielte zu ihm hoch. Die Zeit, die Dalziel gemästet hatte, hatte ihn passenderweise ausgemergelt.
    »Würde es dir was ausmachen, auf deinem eigenen Brett zu bleiben, Dalziel? Facilis est descendus, aber ich hab so meine eigenen Vorstellungen, mit wem ich abstürze.«
    Seine Ausbildung und die gesellschaftlichen Kreise, in denen er sich bewegte, hatten den Akzent seiner Heimat schon lange ausgemerzt, aber seine Fertigkeit im Anpflaumen, Grundvoraussetzung, um auf den Rugbyspielfeldern Mid-Yorkshires bestehen zu können, hatte er nicht verlernt.
    »Tut mir leid, daß man dich vom Abendessen weggeholt hat, aber ich sehe, du hast Proviant mitgenommen«, sagte Dalziel mit einem Seitenblick auf die Plastiktüte, in der ein Häuflein kleiner Knochen lag.
    »Den ich in aller Ruhe verschmausen werde.«
    »Kommt mir ziemlich dürftig vor«, sagte Dalziel. »Und was kannst du mir schon mal verraten? So aus der Lamäng? Kommt nicht drauf an, was es ist. Geschlecht. Alter. Todeszeit. Mädchenname der Mutter.«
    »Es handelt sich um eine Hand, und sie ist von einem Menschen, und mehr bin ich nicht bereit zu sagen, bevor ich nicht eine ganze Menge mehr gesehen habe, und das kann noch eine ganze Weile dauern. Ich fürchte, wie Nicholas Nickleby erscheint dieser Fall in Fortsetzungen.«
    »Kann mich nicht an ihn erinnern«, sagte Dalziel. »Woran ist er gestorben?«
    Mit einem Stöhnen, das alles abdeckte, von Dalziels Kalauer bis zu seinen steifen Muskeln und dem Unwetter, richtete sich Longbottom auf.
    »Nun sieh dir mal meinen Mantel an. Weißt du, was so ein Ding kostet? Ich werde den Schaden natürlich melden.«
    »Ich würde mich an ALBA wenden. An deinen Kumpel Batty. Glaubst du, der hat da oben was Flüssiges?«
    »Ich könnte mir vorstellen, daß er einen Single Methanol in den Labors hat.«
    »Genau das Richtige«, sagte Andy Dalziel.

Fünf
    P eter Pascoe wäre auch ohne Leichenschmaus glücklich gewesen, aber er hatte das Gefühl, den Punkt erreicht zu haben, wo er die Arrangements seiner Schwester nicht weiter zu stören wagte. Genaugenommen war es sogar keine schlechte Sache gewesen, denn unter dem Einfluß von Tee und Lachsbrötchen verwandelten sich die Hutzelweibchen in liebenswürdige, intelligente Individuen, von denen mehrere weit unter dem Rentenalter lagen. Einige gratulierten ihm sogar zu seiner Ansprache und sagten, wie zufrieden Ada mit der Gedenkfeier gewesen wäre und wie sehr sie sich etwas Ähnliches wünschten, wenn die Reihe an ihnen wäre.
    Myra bekam das eindeutig alles mit, denn als sie den letzten Trauergästen zum Abschied nachwinkten, sagte sie: »O. K., du hast wie immer recht gehabt.«
    Er lächelte sie an, aber sie war noch nicht soweit, und sie kehrten in das alte Cottage zurück, in dem Ada fünfzig Jahre gewohnt hatte.
    »In Adas Küche ist nur Platz für eine Person«, sagte sie. »Ich spüle. Du kannst mit der Inventarliste weitermachen.«
    Als sie wieder ins Wohnzimmer kam, manövrierte er gerade einen alten Mahagonisekretär durch die Tür.
    »Du nimmst also das alte Stück?«
    »Ja. Ich hab gedacht, ich leg es jetzt auf den Dachgepäckträger, damit ich morgen früh schnell loskomme. Keine Angst, es steht auf der Liste. Ich laß es schätzen und sorge dafür, daß es in die Erbmasse eingeht.«
    »Das hatte ich nicht sagen wollen … ach, denk doch, was du willst, das hast du doch schon immer so gemacht.«
    Sie wandte sich ab, verärgert und verletzt.
    Scheiße, dachte Peter Pascoe. Wo ist meine geschmeidige Zunge hin?
    Er streckte die Hand nach ihr aus, packte sie am Arm und sagte: »Tut mir leid, ich habe wie ein Testamentsvollstrecker gesprochen. Vielleicht auch ein bißchen wie ein Polizeibeamter. Aus Spaß wird Ernst.«
    Sie sah ihn verständnislos an, und eine Minute lang dachte er, daß sie den
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