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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman
Autoren: Andrej Kurkow
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hatte, und machte sich daran, es hinunterzuschlingen.
    Fjodor Palytsch sah sie an und runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Auch er war müde und hungrig.
    Die Schüler stellten sich im ersten Stock auf und warteten auf den Beginn des Appells.
    Alle waren ordentlich gekleidet und frisiert. Alles war wie immer, nur die Gesichter einiger Schüler und Schülerinnen waren etwas blass. Die Oktobristen gähnten.
    Nachdem Vizedirektor Kuschnerenko dem Direktor berichtet hatte, dass alle bereit waren, verließen sie gemeinsam das Zimmer. Der Vizedirektor trug die Schachtel mit den Abzeichen.
    Banow blieb in der Mitte stehen, erklärte den feierlichen Appell für eröffnet und beglückwünschte alle Schüler zum landesweiten Tag der Spende.
    Hierauf traten die Klassenältesten der Reihe nach vor und meldeten:
    „Genosse Direktor! Klasse 10A hat Blut gespendet!“
    „Genosse Direktor! Klasse 10B hat Blut gespendet!“
    Das dauerte zehn Minuten. Danach begann der wichtigste Teil als Abschluss des Festtags. Jeder Lehrer las die Liste der Schüler seiner Klasse laut vor, woraufhin jeder, sobald er aufgerufen wurde, zum Direktor ging und von ihm das Abzeichen „Roter Spender“ erhielt.
    Den Karton mit den Abzeichen hielt der Vizedirektor Kuschnerenko in der Hand, und alle paar Sekunden tastete Banow ohne hinzusehen nach dem nächsten Abzeichen. Schon waren seine Finger von den Nadeln ganz zerstochen, mit denen die Abzeichen befestigt wurden. Wenn das Ganze nur so schnell wie möglich zu Ende geht!, dachte der Schuldirektor.
    „Zymbaljuk Viktor!“, las der nächste Lehrer.
    „Zyganok Pjotr!“
    „Robert Rojd!“
    Als Banow den vertrauten Namen hörte, hob er den Kopf und blickte den Schüler an, der auf ihn zusteuerte. Robert ging leichtfüßig und lächelte über das ganze Gesicht. Keinerlei Blässe, ein gesunder Bursche, dachte der Schuldirektor und lächelte ebenfalls. Seine rechte Hand griff wieder in die Schachtel und seine kribbelnden, zerstochenen Finger zogen diesmal zwei Abzeichen hervor.
    Der Junge schaute Banow verwundert in die Augen, aber dieser nickte nur zur Bestätigung, dass alles seine Richtigkeit hatte. Dann drückte er kräftig Roberts Hand.
    Banow war wieder bei Laune und voller Schwung. Nun teilte er die Abzeichen ohne düstere Gedanken aus und vergaß seine zerstochenen Finger, seine Müdigkeit und den bevorstehenden Herbstregen.
    Bald nachdem die Ernte eingebracht war, fiel im Neuen Gelobten Land Schnee. Wie sich das für den ersten Schnee gehörte, schneite es in der Nacht, und am Morgen liefen alle menschlichen Bewohner der Ställe hinaus auf den Hof und ließen ihrer Freude freien Lauf. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen. Das Bild der im Schnee umhertollenden Kinder und Erwachsenen ließ im Engel ein Gefühl reiner Freude aufkommen. Unter den tobenden und fröhlich lachenden Siedlern entdeckte der ehemalige Himmelsbewohner auch den Buckligen, den Ofensetzer Sachar und alle Kinder, acht an der Zahl. Auch ihn selbst drängte es, sich ihnen anzuschließen und sich mit ihnen zu vergnügen. Der Engel machte einen Schritt und dann noch einen. Dabei lauschte er dem zauberhaften, geheimnisvollen Knirschen des Schnees. In diesem Geräusch lag etwas erstaunlich Reines, ja fast Paradiesisches. In dieser Reinheit wiederum lag etwas Göttliches, und der Engel wunderte sich: Warum fiel im Paradies kein Schnee? Doch gleich darauf fand er eine Erklärung, die ihn befriedigte. Der Schnee war doch ein Zeichen von Kälte, und im Paradies war es schließlich immer warm. Es wurde nur leichte Kleidung getragen, immerzu blühten die Blumen und ringsum grünte alles. Nicht so wie hier, wo über Nacht der zwar schöne, aber todesähnliche Winter eingefallen war.
    „He, Engel!“, rief einer von denen, die herumtobten. „Komm zu uns!“
    Der Engel lächelte, lief zu den fröhlichen Menschen und suchte unter ihnen Katja.
    Er fand sie und eilte zu ihr.
    „Ah, Engelchen!“, lächelte sie. „Glückwunsch zum ersten Schnee!“
    Und mit ihren roten Lippen, die ganz kalt waren, gab ihm die Lehrerin einen Schmatz auf die Wange.
    Der Engel erstarrte. Katja aber entdeckte plötzlich Arbeiter, die an Seilen eine Reihe von Holzschlitten vom Schuppen herüberzogen, sie lief zu ihnen und rief:
    „Lasst mich als Erste! Ich will die Erste sein!“
    Als die Siedler des Neuen Gelobten Landes vom Herumtollen genug hatten, stellten sie sich in einer Reihe auf, setzten sich auf die Schlitten und rutschten mit fröhlichem „Oh!“
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