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Der wahre Hannibal Lecter

Titel: Der wahre Hannibal Lecter
Autoren: Jaques Buval
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geheimnisvoll wirkenden Nebel zu verabschieden, der das Land beherrscht. Die Melancholie weicht erst allmählich aus den Gemütern der Menschen. Der Frühling hält Einzug auf der königlichen Insel. Doch nicht in der maroden, altertümlichen Strafanstalt in Wakefield, nur wenige Kilometer von Leeds entfernt.
    Unheimliche Stille umgibt diesen von einer meterhohen Backsteinmauer eingegrenzten Ort, der Gefühle der Angst und des Schreckens aufkommen lässt. Die unzähligen kleinen Fenster, wie Waben eng aneinander gereiht, lassen den Betrachter nur erahnen, wie viele Menschen sich in diesem Haus befinden. Man kann sie förmlich spüren, die Enge der Räume und die Qual der Gefangenen, die hier ihr Leben verbringen. Dieser alte, verwitterte Kasten flößt Furcht ein, und doch kommt auch Neugierde in einem auf, was und wer sich wohl dahinter verbergen mag. Welche ungeahnten Schicksale und welch unvorstellbare verbrecherische Energie mag dieses Haus beherbergen?
    Jeder weiß, hier verbüßen nicht der kleine Dieb oder der gutaussehende Gentleman, der die reichen einsamen Ladys um ihr Erspartes gebracht hat, ihre Strafe. Hier sitzen die schweren Jungs Großbritanniens, und die weitaus meisten sind zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
    Manche Fenster sind sogar mit Glasbausteinen zugemauert Die Häftlinge, die sich hinter diesen Fenstern befinden, sitzen in völliger Isolationshaft. Sie sind sogar aus der Gemeinschaft der Mithäftlinge ausgeschlossen. Selbst die Sicht auf die nur wenige Meter entfernte Natur ist ihnen verwehrt. Ihre Zukunft sind die acht Quadratmeter Einsamkeit. Sie sind Tag für Tag völlig allein mit sich. Lauthals schreien sie dem Besucher, der über den Gefängnishof streift, zu: »Schreib es nur alles auf.
    Uns hört sowieso niemand mehr zu. Sollen wir unsere Sprache verlieren, dahinvegetieren wie Mastvieh, 23 Stunden am Tag, bis an unser Lebensende? Warum bringen sie uns nicht gleich um, diese Menschen schindenden Schlüsseldreher?«
    »Das wäre auch besser so, denn dann würden sie den Staat nicht mehr so viel Geld kosten. Der Staat könnte mit diesem eingesparten Geld viel mehr soziale Einrichtungen unterstützen«, erklärt ein alter Wärter und fährt fort: »Sie dürfen leben, haben zu essen und zu trinken. Sie haben ein Dach über dem Kopf. Ihre Opfer sind längst vergessen.« Die Anstalt in Wakefield ist gefürchtet und verrufen. Der Strafvollzug gilt bei den Inhaftierten als geradezu unmenschlich. Dass hier kein Mensch, auch wenn er nur ein paar Jahre zu verbüßen hat, lebenstüchtig gemacht werden kann, zeigt die Rückfallquote derer, die nach einigen Jahren entlassen wurden. Viele behaupten, hier wird lediglich Hass gegen die Gesellschaft gesät, sonst nichts.

Englands Strafvollzug hat Tradition

    Der Strafvollzug in Großbritannien lässt sich zurückverfolgen bis zum Jahre 1776. Rechtskräftig Verurteilte wurden zum Großteil auf Galeerenschiffe (so genannte »hulks«) gebracht und in den Unterdecks zu Ruderarbeiten gezwungen. Viele starben an Überanstrengung, an Unterernährung oder fielen einer Seuche zum Opfer. Die katastrophalen hygienischen Zustände unter Deck trugen ihren Teil dazu bei. Wer die weiten Überfahrten, teils bis nach Amerika, nicht überlebte, wurde wie Küchenabfall über Bord geworfen. Wer Glück hatte, durfte in den völlig verwahrlosten und überbelegten Gefängnissen an Land sein Leben fristen. In den uralten Katakomben der Festungen warteten sie auf ihren Prozess oder auf ihren Tod. Mit Ketten wurden sie an den feuchten Mauern befestigt. Lediglich ein paar Halme Stroh dienten als Schlafstelle. Erst nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges begann man über die Unterbringung von Gefangenen nachzudenken. Noch immer verschiffte man pro Jahr bis zu 70.000 Mann, Arme und Füße an Eisenketten gefesselt, auf den Galeerenschiffen.
    Ab 1850 hatte die örtliche Justiz, durch die jeweiligen Innenminister ermächtigt, das Sagen. Eine Verwaltung der Gefangenen wurde gegründet. Man bildete entsprechende Kommissionen und setzte zuständige Inspektoren ein.
    Gefangenenschiffe wurden nur noch auf der Themse verwendet und der Bau verschiedener Einrichtungen zur Unterbringung von Strafgefangenen beschlossen.
    Noch immer waren sie für vogelfrei erklärt und hatten keinerlei Rechte, doch man begann, sich auf die von Sir Robert Peel schon 1820 vorgeschlagenen Standards für Gefängnisse zu besinnen. Daraufhin erbaute man 54 Gefängnisse mit über 11.000 Einzelzellen, die von
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