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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann
Autoren: Richard Rötzer
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und heimlich in die Stadt, und die Frauen und Kinder waren allemal froh über die gesunde Heimkehr, aber es fehlte auch nicht an Spott und Häme, und insbesondere der König selbst litt schwer unter dem Debakel, das einer Niederlage gleichkam.
    Doch auch in bitteren Stunden zeigte Ludwig königlichen Großmut und belohnte die Stadt für ihre Treue, indem er ihr wenige Tage nach seiner Rückkehr alle bisher verliehenen Rechte und Freiheiten als unantastbar bestätigte, das am Oberen und Unteren Tor erhobene Ungeld weiterhin den Bürgern für den Ausbau ihrer Stadt zusprach sowie das Verbot wiederholte, daß kein Bürger Münchens für Schulden des Königs gepfändet werden dürfe.
    Und auch Peter erfuhr königliche Dankbarkeit, indem ihm die Hofkammer einen Beutel voller Münzen zustellen und überdies eine jährliche Rente festsetzen ließ, die ihn nicht nur mit Stolz erfüllte, sondern ihm auch willkommene Unabhängigkeit von seinem Bruder verlieh. Aber sein größter Wunsch schien ihm dennoch vorerst versagt zu bleiben. Mit der Belohnung war nämlich zugleich eine spätere Audienz in der Königsburg in Aussicht gestellt worden. Doch die Wochen vergingen und mit ihnen schien sich auch die Ankündigung im Zeitlosen aufzulösen. Peter ertappte sich wiederholt selbst dabei, wie er besonders aufmerksam in die Burgstraße spähte, wenn er an dieser Stelle den Marktplatz querte. Obwohl Paul in seiner Abgeklärtheit ihm sehr bald eröffnete, was er von den Versprechungen der Großen hielte, ließ Peter sich davon nicht entmutigen und hegte in einem stillen Winkel seines Herzens weiterhin seinen Traum, irgendwann dem König zu begegnen.
    In der Tat war es für Ludwig kein glückliches Jahr, wenn man davon absah, daß er selbst knapp dem Tode entronnen war, aber in seinem Haus und seiner Familie hielt der Schnitter dafür unerbittlich Ernte. Der König beweinte sein zweijähriges Töchterlein, beklagte seine Schwester, mußte den Tod eines Schwagers hinnehmen und erfuhr selbstverständlich vom Ableben seines Bruders. Und inzwischen verheerten die Habsburger das Bayernland. Zwar umging Leopold München, aber nach seiner Vereinigung mit Friedrich zogen die Brüder sengend und brennend, plündernd und mordend bis hinunter nach Regensburg. Von Ludwig ging daraufhin die Kunde, daß er in tiefe Trauer und Schwermut verfallen sei und sich gar mit dem Gedanken trage, auf die Krone zu verzichten. Dem Zuspruch Peters von Aspelt, des Reichskanzlers und Erzbischofs von Mainz, war es im wesentlichen zu verdanken, daß Ludwig übers Jahr wieder frischen Mut fassen, sich zu neuer Größe aufschwingen und schließlich fast auf den Tag genau drei Jahre nach seinem schmählichen Rückzug an gleicher Stelle einen glänzenden Sieg erfechten sollte.
    Peter fühlte sich durch das Angebot Konrad Dieners zwar geschmeichelt, aber annehmen mochte er es nach reiflicher Überlegung nicht – noch nicht. Denn, hatte er durch die Ereignisse der vergangenen Monate auch beträchtlich an Selbstvertrauen gewonnen, in dieser Hinsicht befielen ihn noch zu große Zweifel: War nicht sein Latein allzu mäßig? Müßte er nicht erheblich mehr vom Recht verstehen? Wo doch ein Konrad Orlos eigens nach Bologna eilte, um dort seine Studien fortzusetzen. War er nicht ganz einfach zu jung für solch verantwortungsvolle Tätigkeit? Er fühlte sich weit unabhängiger als noch vor kurzem, so als stünde die ganze Welt ihm offen, und vielleicht würde ihn eines Tages sein Weg selbst noch nach Bologna führen…
    Ansonsten hatte Peter wieder Spaß an seiner gewohnten Arbeit, am vertrauten und streitbaren Umgang mit seinem Freund Paul und an der neu gewonnenen Zuneigung und Achtung, die ihm die Flößer entgegenbrachten.
    Kurz bevor der Winter einsetzte, berichteten Reisende, sie hätten unweit von Baierbrunn am Wegrand zwei Erschlagene gefunden, die übel zugerichtet gewesen seien. Dies hätte weiter kein besonderes Aufsehen erregt, wäre nicht der eine von beiden von großer Gestalt, ja geradezu hünenhaft gewesen. Peter, Paul und die Flößer gaben sich darob der Sicherheit hin, daß so oder so auch Roland die Gerechtigkeit des Herrn ereilt hatte.
    Da entsann sich Peter auch der Lies, und er beeilte sich, ihr noch vor dem ersten Schnee Kunde von den Ereignissen und vom Ausgang der üblen Geschichte und damit hoffentlich auch Frieden zu bringen. War Jakobs Mörder auch nicht genau festzustellen gewesen, so gab es doch die tröstliche Gewißheit, daß diejenigen, die seinen
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