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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann
Autoren: Richard Rötzer
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sein. Und Euch ließ die Ungeduld erneut in den Fettnapf treten«, fuhr Peter fort. »Denn den Ritt nach Augsburg und zurück hättet Ihr allenfalls als Gesunder und unbelastet in dieser Zeit bewältigen können, nicht aber schwer verletzt und mit einer Leiche im Gepäck.«
    »Und meine Wunden!« rief Ludwig Pütrich erbost. »Glaubt Ihr vielleicht, ich sei beim Rasieren ausgeglitten oder habe mich an scharfen Gräsern geschnitten, während ich dem Boten auflauerte?«
    Paul lachte lauthals. »Welch ein Mummenschanz! Aber Ihr taugt nicht zum Komödianten, Herr Pütrich, denn dazu bedarf es nicht bloßer Verschlagenheit. Der gute Perchtold lief sich fast die Füße wund, als er bei sämtlichen Badern der Stadt nachfragte. Aber keiner wollte sich daran erinnern, Eure schlimmen Wunden behandelt zu haben. Und während beim Dünnschiß des Knäbleins sogar der Tömlinger zu Rate gezogen wurde, habt Ihr von ihm auch nicht das kleinste Pülverchen gegen Eure gewaltigen Schmerzen erbeten.«
    »Hol Euch der Teufel!«
    »Was nun noch zu tun bleibt«, sagte Peter an den Rabenecker gewandt, »ist, das Rätsel der geheimen Botschaft zu lösen. Ihr könntet uns dabei behilflich sein.«
    »Ihr wißt doch sonst alles«, fauchte Rabenecker und fügte gehässig hinzu: »Außerdem möchte ich Euch nicht des Vergnügens berauben.«
    »Nun gut«, eröffnete Peter das Spiel, »so will ich Euch offenbaren, daß wir den Text durchschaut haben und somit wissen, daß auf unseren König zum Jahrestag seiner Wahl ein Anschlag geplant ist und daß eine Bande von Verschwörern plant, statt seiner den Habsburger Friedrich auf den Thron zu setzen.«
    »Nein, wie schrecklich«, heuchelte der Ratsherr Entsetzen. »Ihr werdet sicherlich rechtzeitig Vorkehrungen treffen, um dieses Unglück zu verhindern.« Er trug auf seinen Lippen ein spöttisches Lächeln und schaute Peter fast triumphierend an.
    Der trat ganz nah vor seinen Widersacher hin, stützte sich mit der einen Hand auf die Tischplatte, mit der anderen auf die Stuhllehne und beugte sich soweit herab, daß zwischen beider Augen nur eine Dolcheslänge Abstand blieb.
    »Ihr fühlt Euch wohl sehr sicher.«
    »So sicher wie Ihr klug seid«, erwiderte Rabenecker grinsend, »was doch wohl unbestritten ist.«
    »Schön«, stellte Peter fest und stemmte sich schwungvoll wieder in die Senkrechte, holte das Siegel aus seiner Gürteltasche hervor und hielt es dem Kaufmann und Rat vors Gesicht. »Kennt Ihr dies hier?«
    Des Rabeneckers eben noch siegessichere Miene verfinsterte sich schlagartig, aber er schwieg.
    »Ein kleines Stück Wachs«, sinnierte Peter, während er das Siegel spielerisch zwischen den Fingern drehte, »so unscheinbar und doch von tödlicher Bedeutung, so daß sich zuletzt mancher darum riß. Ihr auch?« Peter sah den Ratsherrn herausfordernd an und verschärfte plötzlich den Ton: »Es waren natürlich Eure Leute, die mich auf der Landstraße nach Wolfratshausen überfielen, und sie suchten nicht in erster Linie das Pergament bei mir, sondern das Siegel, das der Junge am Tag zuvor entwendet hatte. Und Eure Halunken waren es auch, die den Perchtold entführten, um damit das Siegel herauszupressen. Aber wozu? Wolltet Ihr nur Euer schnödes Andenken an den verwerflichen Überfall auf den Stadtrichter zurückgewinnen? Natürlich nicht. König Ludwig hatte damit vor zwei Jahren Eure Verbannung besiegelt, und Ihr wolltet dafür nun seinen Tod besiegeln.«
    »Ihr phantasiert schon wieder«, knurrte Heinrich Rabenecker.
    »Keineswegs, Herr Rat. Aber ich gebe zu, es hat mich viel Zeit und Mühe gekostet, bis ich begriff, welche Rolle Ihr dem Siegel in Eurem Racheplan zugedacht hattet. Ihr selbst wart mir dabei freundlicherweise behilflich, denn Eure Bemerkung, es liege Euch im Gegensatz zu mir fern, andere täuschen und hinters Licht führen zu wollen, ließ mich nicht ruhen. Und plötzlich hatte ich das merkwürdige Bewußtsein, daß Ihr ganz im Gegenteil sehr wohl Euren Spaß daran habt und daß Ihr Euch auch mit uns einen Spaß erlaubtet.
    Als ich Euch das Pergament mit dem seltsamen Text vorhielt, da habt Ihr kaum einen Blick darauf geworfen, was auch nicht nötig war, denn Ihr kanntet ihn schließlich. Aber es reichte immerhin, daß Ihr bemerktet, daß der Text stellenweise unleserlich war. Ihr habt nun die Verse noch einmal geschrieben, um sie dem ermordeten Boten in die Tasche legen zu lassen und habt dabei kleine, aber sehr wesentliche Änderungen vorgenommen. Mit der Einfügung eines
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