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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann
Autoren: Richard Rötzer
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Verbannung auf das abgelegene Gut. Der ehrenwerte Ratsherr konnte die Schande nicht ertragen oder hätte andererseits das Kind als sein eigenes ausgeben müssen.«
    Heinrich Pütrich sagte hierzu nichts und barg nur das Gesicht in seinen Händen, als habe er eben zum ersten Mal die schändliche Tatsache vernommen. Seine schamlose Gattin aber keifte hemmungslos: »Dieser Unmensch hat hartherzig von mir sogar verlangt, ich müsse das Kind sofort weggeben, wenn ich je wieder in die Stadt zurückkehren wollte. Er hat eine Mutter ihres Kindes beraubt und ist keinen Deut besser als Herodes, der…«
    »…mit Euch vermutlich auch ganz anders umgesprungen wäre«, platzte Paul verärgert heraus. Er hatte es allmählich gründlich satt, wie einer dem anderen Schuld zuwies, obwohl sie allesamt bis zum Hals in der Jauche steckten.
    »Ihr jedenfalls wußtet es geschickt zu verhindern«, wandte sich Peter jetzt an Birgit Pütrich, »wobei Euch allerdings der Umstand zu Hilfe kam, daß des Schusters Frau zur selben Zeit von einem Knaben entbunden ward, dieser aber schon wenige Tage nach seiner Geburt zu den Engeln ging. Bei des Schusters Entfremdung und Abgeschiedenheit von seinen Nachbarn nahm dies kaum jemand zur Kenntnis, und nur ein kleiner Vermerk im Kirchenbuch von St. Peter gibt hierüber Aufschluß. Ihr aber konntet die trauernde Mutter nun leicht als Amme für das eigene Kind gewinnen und nach deren plötzlichem Tod habt Ihr dem Schuster einfach eine fremde Amme finanziert und damit den Schein gewahrt. So konntet Ihr, werte Frau Pütrich, unbelastet nach München zurückkehren und hattet ohne Wissen Eures Mannes trotzdem Euer Kind in greifbarer Nähe. Ihr habt es häufig besucht, was Euch als Mutter zwar ehrt, womit Ihr uns aber zugleich ein Rätsel aufgabt, denn wie hätten wir Eure zahlreichen und zeitlich ungewöhnlichen Gänge zum Schuster anders deuten sollen, als…«
    »Pah«, unterbrach die junge Frau abfällig. »Ihr seid der, der lüstern denkt! Schließlich ging ich in meines Vaters Haus.«
    »Er denkt nicht nur unkeusch«, bestärkte sie der brüderliche Liebhaber, »sondern auch wie ein Wahnsinniger, denn warum in Gottes Namen hätte ich den Schuster töten sollen, wo er uns auf diese Weise diente?«
    »Ich will es Euch sagen«, erwiderte Peter kühl, »Euer Bruder hat schon vor Jahren seinen Sohn Ludwig zum Alleinerben bestimmt. So Ihr dies nicht schon wußtet, habt Ihr es spätestens durch Euren Einbruch erfahren, bei dem Euch auch das Testament in die Hände fiel. Rührt Euch, wenn ich Falsches behaupte!« forderte Peter den Alten auf, der jedoch weiterhin schwieg.
    »Dies hat nun vollends Eure Rachegelüste geschürt, und Ihr verfielt auf die teuflische Idee, auch das Testament in Eurem Sinne zu nutzen. Denn schließlich hattet auch Ihr Euren Sohn auf den Namen Ludwig taufen lassen, aber als Vater seid nicht Ihr eingetragen, sondern eben Euer Bruder Heinrich, da dem frommen Kirchenmann gar nichts anderes in den Sinn kam. Ihr mußtet also nur noch den wahren Erben verschwinden lassen. Wenn dann Eurem Bruder noch etwas zustoßen oder das Todesurteil ihn ereilen sollte, hättet Ihr Euch der jungen Witwe, die ohnehin Eure Geliebte war, annehmen und mit Ihr und dem Söhnchen zusammen erben können. Deshalb habt Ihr auch den Anschlag auf Euren Neffen verüben lassen, was glücklicherweise mißlang.«
    »Du, du hast… das habe ich nicht gewußt«, stammelte Birgit Pütrich. »Ich schwör’s bei meinem Kinde.« Ihr stand plötzlich ehrliches Entsetzen ins Gesicht geschrieben, und sie rückte ein Stück von ihrem Schwager ab, während der alte Pütrich mit aschfahlem Gesicht hervorstieß: »Du Bestie! Verflucht sollst du sein!«
    »Zuviel des Guten, teurer Bruder«, höhnte Ludwig. »Deine Flüche reichen schon für drei und sind so kraftlos wie deine tote Wurzel unterm Rock. Und Ihr, Peter Barth, wie wollt Ihr es beweisen?«
    »Weil er Euer Geheimnis kannte und Euch zu verraten drohte«, faßte Peter zusammen, »mußte der Schuster sterben. Und ebenso erging es Gottschalk, durch den Ihr von den Fluchpsalmen und der Herstellung des Atzmanns erfuhrt und der sich unschwer zusammenreimen konnte, daß Ihr hinter dem weiteren Mißbrauch und den Morden stecktet. Aber er konnte Euch nicht verraten, ohne sich selbst dem Gericht auszuliefern. Da Ihr es selbst bewirkt hattet, daß Euer Bruder durch die Abschrift der Psalmverse in Verdacht geriet, konntet Ihr unmöglich die passenden Verse für des Schusters Ermordung
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