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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat
Autoren: John Grisham
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sagte Mordecai.
    »Und was würden wir damit machen?«
    »Ein paar Sekretärinnen und Gehilfen einstellen, vielleicht sogar einen weiteren Anwalt.« Sofia war nach Hause gegangen. Wir saßen im vorderen Raum, und Mordecai begann zu träumen. Er sehnte sich nach den Tagen zurück, als noch sieben Anwälte im Büro gearbeitet hatten. Jeden Tag hatte Chaos geherrscht, aber das Büro war eine Macht gewesen. Es hatte Tausenden von Obdachlosen geholfen.
    Politiker und Bürokraten hatten ein offenes Ohr gehabt. Das Büro hatte mit lauter Stimme gesprochen und war meist gehört worden.
    »Seit fünf Jahren sind wir auf dem absteigenden Ast«, sagte er. »Und die Menschen auf der Straße leiden. Das ist der richtige Augenblick, das Ruder herumzureißen.«
    Und diese Aufgabe fiel nun mir zu. Ich war das frische Blut, das junge Talent, das Schwung in das Büro bringen und es zu neuen Höhen führen sollte. Ich würde Dutzende neuer Freiwilliger gewinnen. Ich würde die Spendensammlung so organisieren, dass wir genug Mittel hatten, um mit anderen Kanzleien mitzuhalten. Wir würden expandieren, die Bretter aus den vernagelten Fenstern im ersten Stock entfernen und viele talentierte junge Anwälte beschäftigen.
    Die Rechte der Obdachlosen würden verteidigt werden - die Menschen brauchten nur zu uns zu kommen. Wir würden ihnen Gehör verschaffen.

    NEUNUNDDREISSIG

    Am Freitag morgen saß ich an meinem Schreibtisch und ging fröhlich meiner Arbeit als Anwalt und Sozialarbeiter nach, als plötzlich Drake & Sweeney in der Person von Arthur Jacobs in der Tür stand. Ich begrüßte ihn freundlich, aber zurückhaltend, und er setzte sich auf einen meiner braunen Stühle. Er wollte keinen Kaffee. Er wollte mit mir reden.
    Arthur hatte Sorgen. Fasziniert hörte ich dem alten Mann zu.
    Die letzten Wochen waren die schwersten seiner immerhin sechsundfünfzigjährigen Karriere gewesen. Der Vergleich war kein großer Trost. Die Kanzlei war nach diesem kleinen Unwetter wieder auf Kurs, doch Arthur schlief schlecht. Einer seiner Teilhaber hatte ein schreckliches Unrecht begangen, wodurch unschuldige Menschen gestorben waren. Drake & Sweeney würde immer für den Tod von Lontae Burton und ihrer vier Kinder verantwortlich sein, ganz gleich, wie viel Schadenersatz man bezahlte. Und Arthur bezweifelte, dass er darüber hinwegkommen würde.
    Ich war zu überrascht, um etwas sagen zu können, also hörte ich nur zu. Ich wünschte, Mordecai könnte es ebenfalls hören.
    Arthur litt, und es dauerte nicht lange, bis ich Mitleid mit ihm empfand. Er war achtzig und dachte schon seit Jahren daran, sich aus der Kanzlei zurückzuziehen, doch jetzt wusste er nicht, was er tun sollte. Er war es leid, dem Geld nachzujagen.
    »Mir bleibt nicht mehr viel Zeit«, sagte er - dabei hatte ich das Gefühl, dass Arthur noch meine Beerdigung erleben würde.
    Er war fasziniert von unserem Rechtsberatungsbüro, und ich erzählte ihm, wie ich hier gelandet war. Er wollte wissen, wie lange dieses Büro schon existierte, wie viele Mitarbeiter wir hatten, woher das Geld kam und wie wir arbeiteten.
    Er hatte das Stichwort gegeben. Da ich in den kommenden neun Monaten ohnehin nicht als Anwalt praktizieren dürfe, erklärte ich ihm, hätten wir beschlossen, dass ich ein Programm zur Rekrutierung von Freiwilligen aus den großen Kanzleien der Stadt entwerfen solle. Seine Kanzlei sei die größte, und daher hätte ich schon erwogen, dort zu beginnen. Die Freiwilligen würden unter meiner Supervision einige Wochenstunden Gratisarbeit leisten, wodurch wir für Tausende von Obdachlosen tätig sein könnten.
    Arthur wusste von diesen Programmen, wenn auch nicht sehr viel. Er habe seit zwanzig Jahren keine Gratisarbeit mehr geleistet, gestand er traurig. Das sei etwas für die jüngeren Mitarbeiter. Ich konnte mich gut erinnern.
    Aber der Gedanke gefiel ihm. Je länger wir darüber sprachen, desto umfangreicher wurde das Programm. Nach ein paar Minuten erwog er bereits, alle vierhundert Anwälte der Washingtoner Kanzlei zu verpflichten, einige Wochenstunden zugunsten der Armen zu leisten. Das erschien mir nur recht und billig.
    »Können Sie die Arbeit von vierhundert Anwälten koordinieren?« fragte er.
    »Natürlich«, antwortete ich, obgleich ich keine Ahnung hatte, wie ich das anstellen sollte. Doch meine Gedanken rasten. »Ich brauchte allerdings Hilfe.«
    »Welche Art von Hilfe?«
    »Wie wäre es, wenn es bei Drake & Sweeney einen Mitarbeiter gäbe, der ausschließlich für
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