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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll
Autoren: Charles Coleman Finlay
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erreicht hatte, zitterte sie am ganzen Körper, und Claye weinte bitterlich. Yvon drosch blindlings mit seinem Gehstock ins Wasser, um das, was sie bedrohte, zu verjagen. Xaragitte schreckte vor seiner ausgestreckten Hand zurück, torkelte durch die Furt und kletterte auf der anderen Seite ans Ufer.
    Er folgte ihr und schlug dabei immer wieder mit dem Stock ins Wasser. Aber er entdeckte nichts - rein gar nichts. »Was ist mit Euch?«
    Sie holte keuchend Luft. »Ich glaube, meine Herrin ist tot.«
    Wie… ? »Woher wisst Ihr das?«
    »Wir wurden miteinander verbunden, durch den Zauberer der Herrin, während ihrer Schwangerschaft.« Sie taumelte wie eine Betrunkene, als hätte sie das Gleichgewicht verloren. »Wegen Claye. Und eben hatte ich so ein Gefühl… « Tränen strömten über ihre Wangen. »Etwas ist weg. Ich kann es nicht erklären. Ich kann sie immer noch spüren, aber sie ist fast nicht mehr da.«
    »Wißt Ihr, wie das passiert ist?«
    Sie schüttelte den Kopf, während sie das weinende Kind festhielt und sein Gesicht küsste. »Nein, nein, aber wir müssen zu Lady Ambits Schloss und ihr davon erzählen.«
    Yvon wusste, dass sie Recht hatte. »Es ist zu spät, um die Burg heute Abend noch zu erreichen. Wir werden hier ein Lager aufschlagen und im Morgengrauen aufbrechen.«
    Er humpelte den Hang hinauf, ein gutes Stück vom Flussufer entfernt, in eine geschützte, kleine Schlucht, wo er Zweige zu einem behelfsmäßigen Unterschlupf auftürmte. Claye weinte untröstlich, bis er endlich einschlief. Yvon streckte sich sofort auf dem kalten, feuchten Boden aus, aber sein Körper schmerzte zu sehr, um eine bequeme Schlafhaltung einzunehmen, und seine Gedanken gingen so wild durcheinander, dass er keine Ruhe fand. Xaragitte schien sich ähnlich elend zu fühlen. Als die Wölfe anfingen zu heulen, gab sie es auf, so zu tun, als würde sie schlafen, und setzte sich auf. Er tat es ihr nach, brach einige Äste und fütterte die Flammen. Er tat es nicht nur zu ihrem Schutz - seine Kleider waren immer noch nass, und die Luft war eiskalt.
    »Sie werden uns schon in Ruhe lassen«, versprach er, als Xaragitte sich dicht ans Feuer kauerte. Sie zitterte und starrte in die Dunkelheit.
    Aber die Wölfe kamen näher und schlichen um sie herum. Ihre grünen Augen funkelten jenseits des Schutzwalls und verschwanden immer wieder nach Belieben. Ab und an hörten sie es in der Dunkelheit knurren und fauchen, und Xaragitte warf noch mehr Äste ins Feuer. Zum zweiten Mal an diesem Tag löste Yvon das Schwert in der Scheide. Er tat es nie drei Mal, ohne es zu benutzen.
    Plötzlich fing Xaragitte an zu weinen, lautlose Schluchzer, die ihre Schultern beben ließen. Sie verbarg ihr Gesicht und hörte dann ebenso unvermittelt wieder auf.
    Yvon versuchte so zu tun, als hatte er nichts bemerkt. »Seid Ihr… ?«
    »Kümmert Euch nicht um mich.« Sie wischte sich die Augen. »Mir geht es gut. Es ist nur meine Herrin. Ich habe wieder ihren Funken gespürt. Er ist da und zugleich doch nicht. Es schmerzt, als würde eine Nadel in meinem Herzen stecken.«
    Er hätte gerne etwas gesagt, sie wissen lassen, dass er da wäre, um ihr zu helfen, aber die einzigen Worte, die ihm in den Sinn kamen, waren die, die er insgeheim geübt hatte. »Lord Gruethrist ist schon recht alt, und die neue Lady Gruethrist ist noch sehr jung. Und er stammte nicht aus dem Reich, während sie hier geboren wurde, aber… «
    »Bitte. Ich flehe Euch an, sprecht jetzt nicht von Lady Gruethrist. Es schmerzt mich zu sehr.«
    Sein Atem strömte aus ihm heraus. »Wie Ihr wollt.«
    Die Wölfe rannten davon. Etwas anderes dort draußen hatte sie aufgeschreckt. Yvon saß wachsam und schweigend da, bis Xaragitte sich schließlich wieder hinlegte und so tat, als schliefe sie. Er streute Asche auf das Feuer und tat es ihr nach. Als die Vögel sich mit einem ersten zögerlichen Lied von der Nacht verabschiedeten, wachte Claye voller Hunger auf. Nachdem er getrunken hatte, breitete sich der orangefarbene Schein der Morgenröte über dem dunklen Himmel aus wie ein Ei, das in einer Pfanne aufgeschlagen wurde. Mittlerweile konnte Yvon bei allem nur noch an Essen denken.
    »Heute ist der letzte Tag unserer Reise«, sagte er zu der Amme.
    »Meine Füße sind voller Blasen«, sagte Xaragitte. »Ich glaube nicht, dass ich sehr viel weiter laufen kann.«
    Claye saß auf ihrem Arm und zog an ihren Haaren. Als Yvon an ihnen vorbeiging, quietschte das Kind, streckte die Arme nach ihm aus und
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