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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel
Autoren: Tom Harper
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flachen Graben, der früher einmal ein königlicher Flur gewesen war. Am Ende ragte eine dunkle Kammer auf, ein in den Berghang getriebener Keller. Falls er es bis dorthin schaffte, hätte er zumindest ein Dach, das ihm von oben Schutz bot. Das Blut pochte in seinen Ohren; er konnte hören, wie der deutsche Soldat zu ihm herabkletterte. Ohne zu überlegen, sprang er auf und stürzte durch den offenen Durchgang, gefolgt von einer weiteren Salve.
    Er befand sich in einem langgestreckten, schmalen Raum mit einer Folge von Nischen zu beiden Seiten, die durch niedrige Mauern voneinander getrennt waren und an Viehboxen erinnerten. In all diesen Nischen standen gewaltige, übermannsgroße Tongefäße, und Grant überlegte kurz, ob er versuchen sollte, sich in einem dieser Riesenkrüge zu verstecken – verwarf diesen Einfall dann jedoch. Dort säße er in der Falle wie eine Ratte in einem Sack.
    Weitere Schüsse peitschten herein, ließen kleine Staubwölkchen vom trockenen Boden aufsteigen. Er rannte bis ans Ende der Kammer, hielt Ausschau nach einer Tür, einem Loch in der Wand. Ohne Erfolg – der Eingang, durch den er hineingelangt war, war der einzige Weg ins Freie. Ich Glückspilz , dachte er grimmig, der einzige geschlossene Raum auf dem ganzen verdammten Gelände . Die letzte Nische rechts von ihm war leer: Er hechtete hinein, als der Deutsche gerade durch die Türöffnung gerannt kam.
    Kurz blieb es still, während sein Gegner wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und Grant duckte sich hinter die Mauer. Er versuchte einen Blick hinaus zu werfen, aber die dickbauchige Urne in der Nachbarnische verstellte ihm die Sicht.
    «Rudi», hörte er den Soldaten rufen. «Komm. Ich habe ihn.»
    Es erfolgte keine Antwort. Ein gutes Zeichen, dachte Grant. Besser noch, die Stimme hatte unsicher geklungen. Er wusste nicht, wo Grant genau war, und allein wollte er das lieber nicht herausfinden. Das war sehr gut.
    Lautlos wie eine Katze zog Grant sich an der niedrigen Mauer hoch und ließ sich in die Nische nebenan fallen, hinter einen der Riesenkrüge. Er spannte den Hahn seines Revolvers, lehnte sich an und fühlte dabei den rauen, kalten Ton an seinem bloßen Arm. Wo steckte der Deutsche?
    Als er seine Waffe behutsam hinter dem Krug hervorschob, fiel von der Tür her ein Lichtstrahl auf den Lauf. Nur eine Sekunde lang, aber das reichte dem nervösen Fallschirmjäger vollauf. Ein Kugelhagel peitschte durch den Raum, und dicke Tonbrocken lösten sich von dem Krug. Einer davon traf Grant hart an der rechten Hand, worauf sich seine Finger reflexhaft öffneten und den Revolver fallen ließen. Beim Aufprall auf den Boden löste sich ein Schuss, der dem Höllenlärm im Raum eine weitere Note hinzufügte.
    Grant huschte zurück hinter das Gefäß. Gottlob hatten die Minoer es für die Ewigkeit geschaffen: Von ein paar Sprüngen abgesehen, hatte es den Beschuss gut überstanden. Und der Schuss aus dem Webley hatte dem Deutschen anscheinend Respekt eingeflößt. Er hatte das Feuer eingestellt – möglicherweise wartete er noch auf seinen Kameraden. Grant spähte um den bauchigen Krug herum und konnte gerade noch ein Paar blankpolierte schwarze Stiefel direkt rechts vom Eingang erkennen.
    Jetzt wusste er zwar, wo sich der Deutsche befand, konnte ihn aber nicht unschädlich machen. Der Webley lag auf dem sandigen Boden, so nahe, dass er ihn mit ausgestrecktem Arm hätte erreichen können, zugleich aber so weit weg, dass er den Versuch mit Sicherheit mit dem Leben bezahlen müsste. Er hatte noch das Messer im Stiefel, doch er käme niemals nah genug heran, um es einsetzen zu können. Blieben also nur noch …
    Grant sah hinab auf die beiden Stielhandgranaten, die in seinem Gürtel steckten. Er dachte an den armen Archäologen, an seinen bestürzten Gesichtsausdruck, als Grant sie dem toten Deutschen abgenommen hatte.
    «Tut mir leid, alter Herr», flüsterte er. Dann schraubte er den Deckel vom Griff der Granate ab, tastete nach der Schnur im Stiel und zog kräftig daran. Eins … zwei … Er stand auf, holte mit dem Arm aus und warf die Granate den Gang hinauf. Drei … Sie wirbelte durch die Luft und verschwand außer Sichtweite. Vier … Mit einem Pochen streifte sie die Kante oben an dem Gefäß nebem dem Soldaten, gefolgt von einem dumpfen Geräusch, als sie im Inneren landete. Fünf …
    Eine Wolke aus Tonscherben hüllte den Deutschen ein, als das Gefäß explodierte. Grant zögerte nicht. Er warf sich in
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