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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel
Autoren: Tom Harper
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den Gang und schnappte sich den Revolver, rollte sich in eine hockende Stellung und gab rasch drei Schüsse ab, bevor er noch zur Ruhe gekommen war. Die letzten beiden waren unnötig. Der Fallschirmjäger sackte inmitten der pulverisierten Überreste des Krugs zu Boden. Sein Gesicht war zu einer blutigen Masse zermalmt worden, und Blut sickerte aus dem kleinen Loch dicht unter dem Brustadler auf der linken Uniformseite. Er rührte sich nicht.
    Grant blickte auf den formlosen Haufen Ton und Staub hinab, der gerade noch ein großartiges Kunstobjekt gewesen war. Da haben die Archäologen jetzt schön etwas zum Zusammensetzen , dachte er.
    Und im selben Augenblick hörte er den Schuss.

    John Pemberton stand Todesängste aus. So etwas hatte er seit dem Weltkrieg, seit Passchendaele, nicht mehr durchgemacht – und damals hatte er, bei allem Grauen, wenigstens seine Männer um sich gehabt. Jetzt war er allein. Irgendwo aus der Nähe, vielleicht nur auf der anderen Seite der Mauer, hörte er eine wilde Salve von Schüssen, gefolgt von einer Pause, und dann eine tief dröhnende Explosion, die den Palast bis in die Grundmauern zu erschüttern schien. Waren die Bomber zurückgekehrt? Das Echo der Explosion hallte durch den Steinschacht; die darauf folgenden Schüsse hörte er nicht – und auch nicht die Schritte, die leise die Treppe herabkamen.
    Die erste Kugel traf Pemberton in die Schulter und riss ihn so gewaltsam herum, dass die zweite ihr Ziel verfehlte. Die dritte durchschlug sein Schulterblatt und trat aus seiner Brust wieder aus. Er kippte nach vorn und rollte sich dann auf den Rücken. Ein dunkler Nebel senkte sich vor seine Augen. Am Fuß der Treppe konnte er undeutlich ein zähnefletschendes Ungeheuer ausmachen, das sich ihm näherte. Im seltsamen Zickzack der Schatten in der Halle wirkte es fast so, als seien dem randlosen Helm, den es trug, Hörner entsprossen.
    Noch während er mit dem Tode rang, hatte Pemberton nur einen Gedanken. Das Buch . Er streckte die Hand nach dem Tornister aus – aber der war nicht da. Er hatte ihn fallen gelassen, als ihn die erste Kugel traf. Gegen den blutroten Nebel anblinzelnd, entdeckte er ihn, in einiger Entfernung neben der Säule. Er drehte sich auf die Seite und reckte den Arm hinüber.
    Ein schwerer Stiefel trat schwer auf seine Hand. Er nahm den Schmerz kaum wahr, doch das ungute Geräusch knackender Finger ließ ihn laut aufschreien. Das Ungeheuer lachte, ergötzte sich an seinen Qualen.
    «Möchtest du den hier?» Die Stimme war grob und undeutlich, der höhnische Unterton nicht zu überhören. Während es weiter sein Gewehr auf Pemberton gerichtet hielt, bückte sich das Ungeheuer, hob den Tornister auf und hielt ihn knapp außer Pembertons Reichweite. Sosehr er sich auch reckte, Pemberton konnte ihn nicht erreichen. Seine Lunge tat inzwischen entsetzlich weh, jeder Atemzug schien kaum der Mühe wert, und rings um ihn breitete sich eine Blutlache aus. Das Ungeheuer hatte den Tornister geöffnet und wühlte darin herum: Es zog die Taschenlampe heraus, das Taschenmesser, zwei Riegel Schokolade – und dann das Notizbuch.
    Pemberton stöhnte verzweifelt auf. Das Ungeheuer lachte – ein grässliches, schnaubendes Geräusch, das in verständnisloses Geschniefe überging, während es die Seiten durchblätterte.
    «Was ist das?»
    «Scher dich zum Teufel.»
    Pemberton stieß die Worte mit letzter Kraft hervor – aber das Ungeheuer geriet deswegen in helle Wut. Es richtete sich auf, warf das Buch beiseite und hob sein Gewehr in die Höhe wie eine Keule. Pemberton war schon zu schwach, zurückzuzucken. Über die Schulter des Ungeheuers hinweg sah er einen undeutlichen Schatten, der sich hinter den Säulen auf der Treppe bewegte, wie das Flackern einer Flamme. Aber natürlich hatte es hier seit dreitausend Jahren nicht mehr gebrannt.

    Hinter der Säule konnte Grant zwar den Deutschen nicht sehen, aber er sah den schwarzen Schatten, der auf den sterbenden Archäologen fiel. Kurz entschlossen zog er das Messer aus seinem Stiefel und sprang die Treppe hinunter. Mit zwei lautlosen Sätzen hatte er die Kammer durchquert. Der Deutsche wollte sich noch umdrehen, aber zu spät: Grant schlang ihm von hinten den linken Arm um den Hals, riss ihn zurück und rammte ihm das Messer bis zum Heft in den Hals. Der Kopf des Mannes sackte kurz zurück, und er brüllte auf vor Schmerz. Dann zog Grant das Messer mit einer letzten Drehung heraus. Blut spritzte aus der Wunde, besudelte Grants
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