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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer
Autoren: Charlotte Link
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dir helfen könnte. Wo ist Felix?«
    »Hol … mich raus! Bitte!«
    Die Schmerzen raubten ihm fast die Sinne. Sie konnte es sehen.
    Sie trat einen Schritt zurück. Er bemühte sich, die Hand nach ihr auszustrecken, vermochte aber nicht viel mehr, als seine Finger zu krümmen.
    »Das … würdest … du … nicht … tun …«
    »Verlaß dich drauf. Ich tu’ es.«
    Sie machte einen weiteren Schritt von ihm weg. Er weinte jetzt wie ein Kind.
    »Leona … bitte … bitte …«
    »Wo ist Felix?«
    Er schluchzte, als er ihr den Ort beschrieb, an dem er ihn versteckt hatte. Sie zweifelte nicht daran, daß er die Wahrheit sagte. Sie packte ihn an den Schultern und zog ihn millimeterweise aus dem Wagen. Es kostete sie mehr Kraft, als sie je geglaubt hatte aufbringen zu können.
    Irgendwann hörte sie, wie ein Auto hielt. Sie hörte Stimmen.
    »Mein Gott, was ist denn passiert? Hören Sie, Sie bluten ja schrecklich! Wir brauchen sofort einen Arzt und die Polizei … Sie sollten den Mann besser nicht bewegen … Warten Sie, bis der Arzt …«
    Aber da hatte sie es schon geschafft und streckte Robert in dem weichen Klee am Straßenrand aus. Nicht nur im Gesicht, auch am ganzen Körper sah er völlig unversehrt aus. Sie strich ihm die dichten, dunklen Haare aus der Stirn.
    Im selben Moment, da er sie anlächelte, starb er.
    Sie saß noch neben ihm auf der Erde und hielt seine
Hand, als die Polizei kam und ein Krankenwagen. Ein Sanitäter löste ihre Finger aus denen Roberts. Sie wurde auf eine Bahre gelegt, und endlich breitete jemand eine Decke über sie, ein Mensch, der, wie sie dankbar dachte, gemerkt haben mußte, wie entsetzlich sie fror.
    »Schwerer Schock«, hörte sie jemanden sagen.
    Sie schloß die Augen.
    14
    Auf den ersten Blick war es Wolfgang vorgekommen, als strahle Leona Verlorenheit und Verlassenheit aus, wie sie da am Fuß der Treppe stand zwischen all den Koffern. Aber dann, als er die letzte Stufe heruntergekommen war, merkte er, daß sie voller Zuversicht und Vorfreude war. Alle Hoffnung, sie werde sich alles noch einmal überlegen, fiel in sich zusammen.
    Sie kramte in ihrer Handtasche herum, fischte ihren Autoschlüssel heraus.
    »So«, sagte sie, »ich muß los. Paul wartet sicher schon.«
    »Hätte ihn nicht irgend jemand anderer von der Familie im Krankenhaus abholen können? Olivia zum Beispiel. Dann hätten wir wenigstens diese letzten zwei Tage noch für uns.«
    »Ich will doch selbst noch mal nach Lauberg. Ich sehe sie alle jetzt für mindestens ein Jahr nicht mehr. Und da ist es doch nur sinnvoll, daß ich Paul gleich mitnehme.«
    Mit einer resignierten Handbewegung wies er auf die zahlreichen Gepäckstücke ringsum.
    »Na ja, jedenfalls zeigst du mir recht deutlich, wie eilig du es hast, von mir wegzukommen. Du hättest ja auch nach deiner Rückkehr aus Lauberg packen können.«

    »Das wäre aber eine unheimliche Hetzerei geworden. Es tut mir leid, daß du jetzt das ganze Zeug hier herumstehen hast, aber übermorgen verschwindet alles.«
    Er lächelte traurig. »Übermorgen verschwindest vor allem du!«
    Sie nickte. »Ja. Ich habe dir ja erklärt …«
    »Jaja. Ich weiß.«
    Es hatte ihn wie ein Schlag getroffen, als sie ihm verkündet hatte, sie werde nach England gehen. Ihre Stelle kündigen. Für mindestens ein Jahr in London leben. Vielleicht auch für länger.
    »William – du weißt, der Literaturagent, mit dem ich befreundet bin – hat mir einen Job angeboten. Das ist eine riesige Chance! Ich muß das machen!«
    »Aber du kannst doch nicht deine wirklich gute Stelle hier …«
    »Natürlich kann ich! Meinst du, ich will für alle Zeit am selben Schreibtisch versauern?«
    Er hatte vor ihr gestanden, mit hängenden Armen und mit seiner ganzen Bereitschaft zu einem Neuanfang, und war sich wie ein Trottel vorgekommen.
    »Und … was wird aus uns?« hatte er schließlich gefragt.
    Sie hatte nicht einmal versucht, ihm die bittere Wahrheit ein wenig zu versüßen.
    »Ich weiß nicht. Vorläufig jedenfalls – nichts!«
    »Aha. Und du meinst, ich warte hier geduldig, bis du wiederkommst und ob du überhaupt wiederkommst?«
    »Das meine ich gar nicht. Du wirst tun, was du möchtest. «
    »Ich habe keine Lust, allein in dem großen Haus zu wohnen!«
    »Dann verkaufe es.«
    » Unser Haus? Du hast immer gesagt …«

    Sie hatte geseufzt, weil er so schwer begriff.
    »Ich will ein neues Leben, Wolfgang. Das alte ist mir zu eng geworden. Diese Stadt, dieses Haus, meine Arbeit … das kann nicht alles
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