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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer
Autoren: Charlotte Link
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sein, daß du nicht auf dumme Gedanken kommst.«
    »Du meinst …«
    »Ich mußte sicher sein, daß du mir nicht untreu wirst.«
    Sie kannte bereits die Antwort, aber irgend etwas trieb sie, die Frage trotzdem zu stellen.
    »Was wäre gewesen, wenn ich mich untreu verhalten hätte?«
    »Ich hätte dich getötet«, sagte er so freundlich und schlicht wie seinerzeit in dem Café in Locarno.
    »Du hast aber nie einen Grund gefunden, mich zu töten. «
    »Nein. Auch als du mich verlassen hast, wußte ich, daß du ein Opfer böser Menschen warst. Millie Faber hat dich gegen mich aufgehetzt. Dafür hat sie bezahlen müssen.«
    Ein trockenes Schluchzen klang aus Leonas Kehle.
    »Robert, ich habe Angst, ich will nicht …«
    »Du mußt keine Angst haben. Sei ganz ruhig. Ich habe mich nur ein wenig geirrt. Wir werden nicht zusammen leben. Wir werden zusammen sterben.«
     
    »Wohin fährst du?«
    »Irgendwohin, wo es ganz still ist. Wo wir ganz allein sind.«
    »Es ist nicht so einfach zu sterben, Robert.«
    »Ich werde zuerst dich töten. Dann mich.«

    »Bitte …«
    »Ich werde dir nicht weh tun. Du bist nicht schlecht wie Anna. Du wirst nichts spüren. Ich verspreche es dir.«
    »Sterben tut immer weh.«
    »Ich werde sanft sein. Sehr vorsichtig. Ich liebe dich, Leona.«
     
    Sie fuhren die gerade, sonnenbeschienene Landstraße entlang. Das rote Warnlicht an der Benzinanzeige brannte. Nicht ein einziges anderes Auto begegnete ihnen. Nicht ein einziges Auto folgte ihnen. Um sie herum war nichts als endlos weite Wiesen. Vereinzelt ein Baum.
    Das Auto wird stehenbleiben, und dann wird es geschehen, dachte Leona, hier also werde ich sterben.
    Vielleicht, so ging es ihr durch den Kopf, wurden Schicksale gefügt am Tag der Geburt. Vielleicht war es ihr immer bestimmt gewesen, an einem Sommertag zwischen blühenden Feldern ihr Leben zu beenden. Unter den Händen eines Wahnsinnigen, der glaubte, sie nur auf diese Weise für immer an sich fesseln zu können.
    Und im selben Moment, da sie dies dachte, lehnte sich etwas in ihr gegen den Gedanken auf. Gegen den Gedanken von Schicksal, Fügung , Vorherbestimmung und der damit verbundenen Vorstellung von Unausweichlichkeit. Auf einmal durchströmten sie all die Wut, all die Gefühle, die immer wieder lebendig wurden in ihr, seit Robert Jablonski in ihr Leben getreten war und ihr ihre Selbstbestimmung geraubt hatte. Auf einmal war sie zu zornig, um noch Angst zu haben.
    Ehe Robert in irgendeiner Weise reagieren konnte, griff sie mit beiden Händen in das Lenkrad und riß es nach rechts herum. Der Wagen schoß von der Straße auf einen Acker zu und prallte frontal gegen den einzigen Baum, der
weit und breit seine dicht belaubten Äste in den wolkenlosen Himmel reckte.
    Leona hörte Robert schreien und verspürte selbst einen brennenden Schmerz, der in ihren Beinen begann und dann den Körper ganz und gar überschwemmte.
    Gleich darauf verlor sie das Bewußtsein.
    13
    Sie wußte nicht, ob Sekunden, Minuten, Stunden vergangen waren. Irgendwann riß der Schmerz sie aus ihrer Ohnmacht. Sie blinzelte in gleißend helles Licht. Voller Verwunderung dachte sie: Ich bin noch am Leben.
    Ihre Beine taten mörderisch weh. Angestrengt versuchte sie, die Augen zu öffnen, um sehen zu können, was überhaupt geschehen war. Sie entdeckte, daß ihre Beine voller Blut waren. Blech oder Glas oder sonst irgend etwas hatten ihr tiefe Schnitte zugefügt. Das Auto war zu alt, um schon über Airbags zu verfügen. Nichts hatte die Wucht des Aufpralls gemildert.
    Leise stöhnend richtete sie sich in ihrem Sitz auf. Der Gurt drückte sich tief in ihre Haut. Sie zog an ihm, um ihn zu lockern. Nach vorn konnte sie nicht das geringste sehen; die Windschutzscheibe war ein einziges dicht gewobenes Spinnennetz aus Sprüngen.
    Ich muß hier raus, dachte sie.
    Im selben Moment vernahm sie ihren Namen.
    »Leona.«
    Es war Roberts Stimme. Sie klang klar und deutlich.
    Die Erinnerung, für kurze Zeit abgetaucht in verschwommene Tiefen, kehrte zurück. Sie und Robert. Ihre gemeinsame Flucht in diesem Auto. Seine Angst vor der Polizei. Seine Worte: »Wir werden zusammen sterben.«

    Alles umsonst. Alles umsonst! Tränen schossen ihr in die Augen. Sie waren beide am Leben. Klebten in dem eingedellten Auto an einem verdammten Baum irgendwo in der Einöde. Ihre Beine waren zu kaputt, als daß sie eine Chance gehabt hätte wegzulaufen. Sie war verloren. Er mußte nur die Hand ausstrecken, um sie zu erwürgen. Sie hing hilflos in
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