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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer
Autoren: Charlotte Link
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er sie wie eine Komplizin, dann ging sie darauf ein, bemühte sich, Vorschläge zu machen, wie sie beide aus ihrer verfahrenen Lage wieder hinausfinden könnten.
    Dazwischen sah sie einfach aus dem Fenster, den Kopf erschöpft an die Scheibe gelehnt. Sie kamen immer höher hinauf in den Norden, das Land ringsum wurde flach und weit; wie rote Flecken lagen vereinzelte aus roten Backsteinen gebaute Häuser und Gehöfte in den Wiesen.
    So ein wunderschöner Sommertag, dachte sie einmal, so schön, daß man nicht glauben mag, daß etwas Schreckliches geschieht.
    Und dann fiel ihr Blick zufällig auf die Benzinanzeige des Wagens, und schlagartig wurde ihr klar, daß der Moment, in dem sich alles entscheiden mußte, unmittelbar bevorstand: Sie fuhren fast auf Reserve. Robert würde in allernächster Zeit entweder eine Tankstelle ansteuern müssen, oder der Motor würde irgendwo auf einer dieser einsamen Landstraßen zwischen Kuhweiden und Getreidefeldern tuckernd und stotternd verenden.

    Als ihnen ein anderes Auto entgegenkam und mehrfach kurz aufblendete, drehte Robert völlig durch. Er trat mit solcher Vehemenz auf die Bremse, daß der Wagen herumgeschleudert wurde und unter lautem Quietschen in der entgegengesetzten Fahrtrichtung zum Stehen kam. Robert jagte den Weg, den sie gerade gekommen waren, zurück, als sei der Teufel hinter ihm her.
    Leona hing in ihrem Gurt und schnappte nach Luft.
    »Was ist denn los?« rief sie.
    »Das war eine eindeutige Warnung! Hast du nicht gesehen, daß der aufgeblendet hat? Da vorne ist eine Kontrolle von den Bullen. Todsicher!«
    Leonas Herz schlug bis zum Hals.
    »Lieber Himmel, du hättest uns gerade umbringen können! Wenn zufällig noch ein Auto …«
    »Glaubst du, ich tappe denen bereitwillig in die Falle? Ich bin doch nicht wahnsinnig! Die hätten uns jetzt!«
    »Du weißt doch gar nicht, was der gemeint hat! Vielleicht werden irgendwo da vorne auch nur zu hohe Geschwindigkeiten geblitzt. Oder es geht um etwas ganz anderes! «
    Er fuhr jetzt ein einigermaßen normales Tempo.
    »Wir dürfen nichts riskieren. Besser, wir sind einmal zu oft vorsichtig als einmal zuwenig. Übrigens«, er machte eine Kopfbewegung hin zum Armaturenbrett, »wir haben fast kein Benzin mehr.«
    Sie tat so, als habe sie das zuvor nicht bemerkt.
    »Tatsächlich. Wir sollten eine Tankstelle aufsuchen.«
    Er runzelte die Stirn. »Das ist zu gefährlich. Die Tankstellen haben längst unser Kennzeichen. Da schnappen sie uns.«
    »Aber wir werden nicht mehr weit kommen.«
    »Nein. Das werden wir nicht.«

    Er sagte dies mit einer plötzlichen Gelassenheit, die Leona angst machte.
    »Was soll dann werden?« fragte sie.
    Er wandte sich ihr zu. Es war, als glätte sich etwas in seinem Gesicht. Die Furchen verschwanden, die Verkrampfung um den Mund löste sich. Es war wieder das schöne, verführerische Gesicht des Robert Jablonski von einst, des Mannes, von dem sie geglaubt hatte, er könne ihre Zukunft sein.
    »Du mußt keine Angst haben, Leona. Man wird uns nie wieder trennen. Dafür werde ich sorgen.«
    Sie schluckte trocken. »Robert …«
    »Ich habe dich nie verlassen, seitdem wir unsere Liebe füreinander entdeckten. Nie. Ich wollte dir das schon lange sagen. Es ist mir wichtig, daß du das weißt.«
    »Ich weiß es.«
    Sein Blick streichelte sie voll trauriger Zärtlichkeit.
    »Damals, im letzten Jahr, im Dezember, da hast du gedacht, ich sei einfach verschwunden für zwei Wochen. Weißt du noch? Du warst sehr böse mit mir.«
    »Ich … ich erinnere mich …«
    »Ich war die ganze Zeit in deiner Nähe. Ich wollte wissen, ob es dir ernst ist mit mir. Ob du mir treu bist. Du hast die Probe bestanden, Leona. Und du warst wirklich ärgerlich, weil ich verschwunden war. Da wußte ich, daß deine Gefühle echt sind.«
    »Du … warst nicht bei einem Verlag in … Italien …«
    »Dummchen!« Zum zweiten Mal nannte er sie so, aber das Wort klang liebevoll aus seinem Mund. »Ich habe gar kein Manuskript geholt zum Übersetzen. Ich habe nicht gearbeitet.«
    »Aber du hattest diesen Stapel Papier …«
    »Schmierpapier. Aus deinem Schreibtisch und aus dem
von deinem Mann. Alte Akten. Alles mögliche. In Wahrheit …«
    Sie begriff. »In Wahrheit hast du jeden Tag in dem Café vor dem Verlag gesessen. Nicht nur an dem Tag, an dem dich Carolin dort entdeckte. Deswegen konnte ich dich telefonisch nie erreichen. Du hast ständig versucht, mich im Auge zu behalten.«
    »Weil ich dich liebe, Leona. Ich mußte sicher
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