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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer
Autoren: Charlotte Link
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Schließlich nickte er.
    »Gut. Gut, so machen wir es. Das ist eine Idee.«
    Sie steuerten die nächste Apotheke an, stiegen beide aus. Ein kopfsteingepflasterter Marktplatz in einer Kleinstadt, ausgestorben unter der heißen Sonne, in feiertäglichem Schweigen versunken. Das Schild an der Tür nannte ihnen den Namen eines anderen Dorfes.
    »Und woher wissen wir jetzt, wo das ist?« fragte Robert ungeduldig. Seine Lippen hatten praktisch keine Farbe mehr.
    »Also, durch ein Dorf mit diesem Namen sind wir bisher nicht gekommen. Ich würde vorschlagen, wir folgen der Landstraße. Vielleicht ist es schon das nächste.«
    »Gut. Gut, so machen wir es«, sagte er wieder.
    Er klang nervös. Es ging ihm schlecht. Leona war jetzt überzeugt, daß er anfing, die Kontrolle über die Situation zu verlieren. Tatsächlich fanden sie ohne Schwierigkeiten das betreffende Dorf und dort wiederum sogleich die Apotheke. Sie lag ebenfalls am Rande eines Marktplatzes, der so ausgestorben war wie der vorherige. Kastanienbäume umstanden und beschatteten ihn. Leona blickte auf ihre Uhr. Es war fast eins. Sie vermutete, daß alle Menschen jetzt beim Mittagessen waren und sich Plätze und Straßen erst später wieder mit Spaziergängern füllen würden.
    Robert lehnte sich in seinem Sitz zurück. Seine Nase wirkte spitzer als sonst.
    »Geh du«, sagte er. »Sag denen, du brauchst etwas Starkes. Mehr als nur ein Aspirin oder so, verstehst du?«
    »Ich bring’ dir was.«
    Sie stieg aus. Es war heiß draußen, aber nicht so heiß wie im Auto. Sie atmete leichter.

    Ich könnte weglaufen, dachte sie, ich könnte dem Apotheker etwas sagen, ich könnte … Aber was dann? Was wird dann aus Felix?
    Der Apotheker erschien erst nach dreimaligem Klingeln an der Tür. Er brachte den Geruch von Fleisch und Kohl mit sich und zeigte sich verärgert, beim Mittagessen gestört zu werden. Leona schätzte ihn auf über siebzig Jahre, gebeugt und schlurfend, wie er daherkam. Er war nicht der Typ, bei dem es einen Sinn hatte, ihm zu erklären, daß man mit einem gesuchten Killer unterwegs war, der seinerseits irgendwo ein fünfjähriges Kind versteckt hielt, das in wenigen Tagen verhungern und verdursten würde.
    »Ich brauche ein starkes Kopfschmerzmittel. Mein …«, sie zögerte, »mein Mann hat schlimme Schmerzen.«
    »Aspirin«, brummte der Alte.
    »Das ist zu schwach. Ich brauche etwas Stärkeres.«
    Am besten eine Droge , unter deren Einfluß er mir sagt, wo er …
    Es war zwecklos. Bis sie diesem Mann verklickert hätte, was los war, würde Robert längst mißtrauisch aus dem Auto gestiegen sein und sie geholt haben.
    Der Apotheker brachte ein Kopfschmerzmittel, Leona bezahlte. Sie fühlte sich, als habe sie Blei an den Füßen, als sie zum Wagen zurückging. Verschwinde, rief ihr eine innere Stimme zu. Mach, daß du wegkommst! Lauf weg!
    Sie stieg ein. Robert schaltete gerade das Radio aus. Seine Lippen zitterten.
    »Die haben eine Suchmeldung gebracht nach dem Kind! Eben im Radio! Deine hirnlose Schwester hat tatsächlich die Polizei alarmiert!«
    »Bist du sicher, daß es um dieses Kind ging? Es verschwinden doch auch andere …«
    »Hältst du mich für bescheuert?« blaffte er. »Natürlich
ging es um dieses Kind. Ich laß mich doch nicht für dumm verkaufen. Hast du das Medikament?«
    Sie reichte ihm die Packung. Er riß sie unbeherrscht auf, nahm sich, ohne den Beipackzettel zu lesen, zwei Pillen, warf sie in den Mund, schluckte sie ohne Wasser hinunter. Finster starrte er vor sich hin.
    »Dann haben die auch das Autokennzeichen. Das hat sich die Schlampe bestimmt gemerkt. Die wissen jetzt …«
    »Vielleicht wissen sie es gar nicht. Ich glaube nicht, daß Carolin …«
    »Du glaubst, du glaubst, du glaubst! Weißt du, was mir dein Glauben nützt? Einen Scheißdreck! Ich muß damit rechnen, daß sie es wissen , verstehst du?«
    Er ließ den Motor an, trat dabei auf das Gaspedal, daß der Wagen aufheulte. Meine letzte Chance, dachte Leona, die allerletzte …
    Sie versuchte, die Wagentür aufzureißen, wollte hinausspringen.
    »Du bleibst drin!« brüllte Robert.
    Das Auto schoß nach vorn. Leona wurde gegen Robert geschleudert. Waghalsig – denn er jagte in völlig überhöhter Geschwindigkeit bereits die Dorfstraße entlang – griff er über sie hinweg und schlug ihre halb geöffnete Tür zu.
    »Tu das nie wieder!« schrie er. »Tu das nie wieder!«
    »Wo willst du jetzt hin?«
    Er antwortete nicht. Sie schaute auf den
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