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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort
Autoren: Fred Vargas
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nur die Dummen bleiben auf dem Bahnsteig stehen.‹«
    »Guter Satz.«
    »Ja, fand ich auch.«
    »Aber falsch. Und danach? Hat er dich den Auftritt proben lassen?«
    »Nein, aber er hat mir gesagt, wie ich mich allgemein verhalten soll, wie ich dich zwingen soll, zu begreifen, dass ich existiere, und zu erkennen, dass ich stärker bin als du. Vor allem hat er gesagt, dass ich damit dein Schuldgefühl auslösen würde, und genau das müsste ich erreichen. ›Das ist dein Tag, Armel. Hinterher wirst du dich wie neu fühlen. Wag es, und zögere nicht, ordentlich auf den Putz zu hauen.‹ Das hat mir gefallen. ›Wag es, reinige dich, werde, das ist dein Tag.‹ Das hatte ich noch nie gehört. Ich fand diese drei Wörter toll: ›Wag es, reinige dich, werde.‹«
    »Woher hattest du das T-Shirt?«
    »Das hat er mir gekauft, er meinte, mit meinem alten Hemd wäre ich nicht glaubhaft. Ich habe die Nacht bei ihm verbracht, aber ich war viel zu aufgeregt, um zu schlafen, ich habe die Dinge in meinem Kopf immer wieder durchgespielt. Er hatte mir Medikamente gegeben.«
    »Aufputschmittel?«
    »Keine Ahnung, ich habe nicht gefragt. Eine Tablette am Abend und zwei am Morgen, bevor ich zu dir ging. Schon da fühlte ich mich ein bisschen wie neu. Und den Haufen Müll, den sah ich jetzt in hellem Licht. Und je mehr Zeit verging, desto stärker wurde dieses Gefühl in mir. Ich hätte dich töten können. Aber du mich auch«, fügte er in einem Ton hinzu, der plötzlich genau wie der Gothic-Zerk klang.
    Der Blick des Jungen wich ihm aus. Er nahm sich eine Zigarette, und Adamsberg zündete sie ihm an.
    »Hättest du mich tatsächlich vergiftet mit deiner Scheißphiole?«
    »Wonach sah sie deiner Meinung nach aus?«
    »Nach irgendeinem verdammten Gift.«
    »Nitrozitraminsäure.«
    »Ja.«
    »Aber unabhängig davon, wonach sah das Fläschchen aus?«
    Zerk stieß den Rauch aus.
    »Keine Ahnung. Nach einer kleinen Parfumprobe.«
    »Das war es auch.«
    »Das glaube ich nicht«, pfiff Zerk durch die Zähne. »Du sagst es, weil du dich heute dafür schämst. Du warst im Arbeitszimmer. Ich denke nicht, dass du in deinem Arbeitszimmer Parfum aufbewahrst.«
    »Du hast mich eingeschlossen, aber vergessen, dass Bullen einen Dietrich haben. Ich habe mir die Probe aus dem Bad geholt. Nitrozitraminsäure gibt es nicht. Du kannst es nachprüfen.«
    »Scheiße«, sagte Zerk und sog einen Schluck Kaffee.
    »Was dagegen sehr wohl stimmt, ist, dass man eine Waffe nie so tief in seine Hose stecken darf.«
    »Das verstehe ich.«
    »Und du hast Krätze, Tuberkulose und nur noch eine Niere?«
    »Nein. Ich habe mal Grind gehabt.«
    »Erzähl weiter.«
    »Die Katze unter den Stiegen, die hat mich amüsiert. Oder es war der Alte mit seiner Geschichte von dem Arm. Jedenfalls bin ich ganz plötzlich wieder nüchtern geworden, als hätte ich mich ausgekackt. Ich hatte ein bisschen die Nase voll vom Rumbrüllen. Aber ich wollte trotzdem weiterbrüllen. Ich wollte brüllen, bis du vor mir auf die Knie fällst, bis du mich anflehst. Josselin hatte zu mir gesagt, wenn ich nicht brülle, bin ich erledigt. Wenn ich dich nicht zu Boden kriege, bin ich erledigt. Mit meinem Haufen Müll im Leib, den ich mein Leben lang nicht wieder loswerden würde. Und es stimmt, ich fühlte mich gut danach, ich bedauerte es nicht.«
    »Aber am Ende hast du doch in der Klemme gesessen.«
    »Ja, Scheiße, wie die Katze unter der Stiege. Ich habe auf ein Dementi wegen der DNA gewartet. Oder einen Anruf von dem unbekannten Typen. Aber nichts kam.«
    »Hast du an eine Falle von Josselin gedacht?«
    »Nein. Immerhin hat er mich ja versteckt. Ich saß in einer Kammer ganz am Ende seiner Wohnung, mit der Weisung, mich nicht zu rühren, wegen der Patienten.«
    »Nachdem du von mir weggegangen warst, so zwischen neun Uhr und Mittag, wenn du da aus dieser Kammer herausgekommen wärst, hättest du mich bei ihm angetroffen. Ich war zu ihm gekommen, weil ich mit ihm reden wollte. Ich nehme an, Josselin hat die Situation genossen. Alle beide bei ihm, alle beide von ihm manipuliert. Aber er hat mich tatsächlich wieder auf die Beine gekriegt und mich von meinem Tinnitus befreit. Er wird uns fehlen, Zerk, der Mann hat goldene Finger.«
    »Nein, mir wird er nicht fehlen.«
    »Und danach? Am selben Tag?«

»So um die Essenszeit kam er mich holen, er ließ sich alles von mir erzählen, er wollte alle Einzelheiten wissen, die Sätze, die ich gesagt hätte, er amüsierte sich sehr darüber, er schien sich
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