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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort
Autoren: Fred Vargas
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an der Jaussène-Brücke hatte lieben können, während es regnete. Zerk war aus der Heiterkeit hervorgegangen.
    »Ich will dich nicht in der Brigade befragen.«
    »Aber befragen tust du mich trotzdem?«
    »Ja.«
    »Dann antworte ich dir wie einem Bullen, denn das ist alles, was du für mich seit neunundzwanzig Jahren bist. Ein Bulle.«
    »Das bin ich, und das will ich auch: dass du mir wie einem Bullen antwortest.«
    »Ich mochte Josselin sehr. Ich habe ihn vor vier Jahren in Paris kennengelernt, als er mir den Kopf zurechtgerückt hat. Vor sechs Monaten begannen die Dinge sich zu verändern.«
    »In welcher Weise?«
    »Er hat angefangen, mir zu erklären, dass, solange ich meinen Vater nicht getötet hätte, nichts aus mir werden würde. Achtung, das war bildlich gemeint.«
    »Ich verstehe schon, Zerk.«
    »Davor hatte ich nicht viel mit meinem Vater am Hut. Es kam schon vor, dass ich an ihn dachte, aber der Sohn eines Bullen zu sein wollte ich lieber vergessen. Hin und wieder las ich was über dich in den Zeitungen, meine Mutter war stolz, ich nicht. Das ist alles. Aber plötzlich mischt Josselin sich da ein. Er sagt, du seist die Ursache all meines Unglücks, all meiner Misserfolge, er sehe das in meinem Kopf.«
    »Welcher Misserfolge?«
    »Keine Ahnung«, meinte Zerk und pumpte wieder einen Schluck Kaffee durch seinen Halm. »Ich bin nicht sonderlich interessiert. So etwa wie du mit der Glühbirne in deinem Haus.«
    »Und was sagte Josselin?«
    »Er sagte, ich müsse dich herausfordern, dich zerstören. ›Reinigen‹ nannte er das, als hätte ich einen Haufen Müll in mir und dieser Haufen wärst du. Der Gedanke gefiel mir nicht besonders.«
    »Warum?«
    »Keine Ahnung. Mir fehlte der Mut dazu, diese ganze Reinigung erschien mir als zu große Aufgabe. Vor allem spürte ich diesen Müllhaufen nicht, ich wusste nicht, wo er eigentlich war. Josselin meinte, doch, es gäbe ihn und er wäre gewaltig. Und wenn ich ihn nicht aus mir herausholte, würde ich von innen verfaulen. Mit der Zeit habe ich gezwungenermaßen aufgehört, ihm zu widersprechen, denn das nervte ihn, und Josselin war ja intelligenter als ich. Ich hörte ihm zu. Mit jeder Sitzung begann ich es ein wenig mehr zu glauben. Und am Ende glaubte ich es wirklich.«
    »Und was wirst du nun tun?«
    »Den Müll rausschmeißen, aber ich weiß nicht, wie man das macht. Josselin hat es mir noch nicht erklärt. Er sagte, er würde mir helfen. Dass ich so oder so mit dir zusammengeraten würde. Und das ist ja auch passiert, er hat recht gehabt.«
    »Notgedrungen, Zerk, schließlich hatte er das alles geplant.«
    »Stimmt«, gab Zerk nach einer Weile zu.
    Nicht besonders schnell, der Junge, sagte sich Adamsberg und ärgerte sich über sich selbst, dass er Josselin zum Teil recht gab. Denn wenn Zerk kein sehr aufgeweckter Geist war, wessen Schuld war es? Auch seine Gesten waren langsam. Zerk hatte erst die Hälfte von seinem Kaffee getrunken, doch Adamsberg war auch nicht viel weiter.
    »Wann bist du mit mir zusammengeraten?«
    »Zunächst war da dieser Anruf in der Nacht von Montag auf Dienstag, nach dem Mord in Garches. Ein unbekannter Typ sagte mir, dass mein Foto in den Morgenzeitungen stehen würde, dass ich dieses Mordes angeklagt werden würde, dass ich ganz schnell verschwinden müsste und kein Lebenszeichen von mir geben sollte. Dass die Dinge sich später aufklären und er mich benachrichtigen würde.«
    »Mordent. Einer meiner Commandants.«
    »Dann hat er also nicht gelogen. Er sagte zu mir: ›Ich bin ein Freund von deinem Vater, tu, was ich dir sage, verdammt noch mal.‹ Denn ich, ich wollte zu den Bullen gehen und ihnen sagen, dass das alles ein Irrtum wäre. Aber Louis hat immer gesagt, um die Bullen sollte man einen möglichst weiten Bogen machen.«
    »Wer ist Louis?«
    Zerk sah Adamsberg erstaunt an.
    »Louis. Louis Veyrenc.«
    »Ach so«, sagte Adamsberg. »Veyrenc.«
    »Und der muss es ja wissen. Also bin ich abgehauen und habe mich bei Josselin versteckt. Bei wem sonst? Meine Mutter ist in Polen, und Louis ist in Laubazac. Josselin hat immer zu mir gesagt, seine Tür stünde mir offen, wenn ich es mal brauchte. Und in dem Moment hat er mir den Gnadenstoß gegeben. Aber ich war ohnehin reif, das steht fest.«
    »Wie hat er die Sache dargestellt?«
    »Als die Gelegenheit, jetzt oder nie. Ich solle das Missverständnis nutzen, hat er gesagt, es sei ein Wink des Schicksals. ›Das Schicksal hält nur eine Minute im Bahnhof, spring auf den Zug auf,
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