Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
für mich zu freuen. Er ließ mich das T-Shirt wieder ausziehen, und dann hat er ein gutes Essen gekocht, um die Sache zu feiern. Das mit der DNA, hat er gesagt, wäre eine falsche Analyse und es bräuchte seine Zeit, bis die Bullen das kapiert hätten. Aber allmählich glaubte ich immer weniger daran. Ich hätte gern Louis angerufen, aber mein Handy konnte ich ja unmöglich benutzen. Sicher, da war noch der Festanschluss von Josselin. Aber wenn die Bullen wüssten, dass Louis mein Onkel ist, konnten sie ihn überwachen. Dann begann ich mir zu sagen, dass irgendjemand mir das Leben versaute. Er war es, der mir das Taschentuch geklaut hat, stimmt’s?«
    »Ganz einfach. Und auch die Haare von deinem Hund. Tournesol. Man hat sie auf dem Sessel in Garches gefunden. Demselben Sessel, auf dem er dich gestern festgepinnt hat. Ich habe mich nur gefragt, wie einer sich diese Haare beschaffen konnte. Ist er mal bei dir gewesen?«
    »Nie.«
    »Wenn er dich behandelte, hast du da deine Sachen ausgezogen?«
    »Ich ließ nur meine Schuhe im Wartezimmer.«
    »Sonst nichts. Denk nach.«
    »Nein. Ja, doch. Zwei Mal hat er mich gebeten, die Hose auszuziehen, weil er sich meine Knie ansehen wollte.«
    »In letzter Zeit?«
    »Vor ungefähr zwei Monaten.«
    »Da hat er das Taschentuch genommen und die Hundehaare. Hast du nie darüber nachgedacht?«
    »Nein. Josselin half mir nun schon seit vier Jahren. Warum hätte ich was Schlechtes von ihm denken sollen?
    Er war auf meiner Seite, er und seine verdammten goldenen Hände. Er ließ mich glauben, dass er mich mochte, in Wahrheit aber fand er, dass ich ein Trottel sei. Den Leuten ist es vollkommen egal, ob du lebst oder stirbst, hat er mir gestern Abend gesagt.«
    » Loša screća , Zerk, er ist in die Rolle von Arnold Paole geschlüpft.«
    »Er ist nicht hineingeschlüpft, es stimmt sogar. Er ist ein echter Nachfahre dieses Paole. Er hat es mir im Auto gesagt, als er mit mir zur Villa fuhr. Und ganz im Ernst.«
    »Ich weiß. Er ist ein authentischer Paole in direkter Linie über seinen Vater. Ich meine damit, er ist ebenso krank geworden wie sein Ahn, der Graberde fraß, um sich vor Peter Plogojowitz zu schützen. Was hat er dir sonst noch gesagt?«
    »Dass ich sterben würde, aber dass ich durch mein Sterben zu seinem Werk der Ausrottung der Verfluchten beitragen würde und dass das ein guter Tod für einen Typen wie mich wäre, der zu nichts nütze sei. Er hat mir erklärt, dass eine verruchte Familie die seine seit dreihundert Jahren verseuche und dass er dem ein Ende bereiten müsse. Er sagte, dass er mit zwei Zähnen auf die Welt gekommen wäre und dass dies der Beweis für das Böse wäre, das in ihm steckte durch die Schuld der anderen. Aber in manchen Augenblicken konnte man ihn gar nicht mehr verstehen. Dann sprach er so schnell, dass ich Angst hatte, der Wagen könnte von der Straße abkommen.«
    Zerk unterbrach sich, um seinen kalten Kaffee auszutrinken.
    »Er hat von seiner Mutter gesprochen. Sie hat ihn verlassen, weil er ein Paole war, und sie hat es daran erkannt, dass seine Zähne bei der Geburt schon draußen waren. Sie hat geschrien, er sei ein ›Gezahnter‹, und hat das Baby gleich in der Klinik gelassen, ›so wie man sich von etwas Schändlichem trennt‹. Und in dem Moment hat er geweint, richtig geweint. Ich sah es im Rückspiegel. Er warf seiner Mutter nichts vor. Er sagte: ›Was willst du, das eine Mutter mit einer Kreatur anfängt? Eine Kreatur ist kein Kind.‹ Da hab ich gedacht, er würde weich, er würde mich freilassen, und habe ihn angefleht. Aber schon hat er wieder angefangen zu schreien, und der Wagen ist geschlingert. Mein Gott, hatte ich eine Angst. Und er hat weiter seinen Leidensweg einer Kreatur erzählt.«
    »Er wurde von den Josselins adoptiert?«
    »Ja. Und mit neun Jahren hat er die Schreibtischschublade seines Vaters aufgezogen und eine ganze Akte über sich gefunden. So hat er erfahren, dass er adoptiert worden war, dass seine Mutter ihn verlassen hatte und warum sie es getan hatte. Er war ein Paole aus dem Geschlecht der verdammten Vampire. So sagte er. Ein Jahr darauf waren die Eltern allmählich überfordert von der Sache. Er schlug alles kaputt, schmierte seine Kacke an die Wände. Das erzählte er mir ganz ungeniert, als einen der Beweise seiner Verdammung. An einem Novembertag haben seine Eltern ihn in eine Anstalt gebracht, um ihn untersuchen zu lassen. Sie haben gesagt, sie würden wiederkommen, und sind nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher