Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten
Autoren: Ami McKay
Vom Netzwerk:
nicht ein, auf welche Vorstellung ich mich konzentrieren sollte, während er hinter der Kamera stand.
    Mr. Sarony kam mit einem Metallgestänge zu mir und erklärte: »Klemmen für Kopf und Arme. Damit Sie stillhalten, während ich das Bild mache. Das dauert nämlich eine Weile.«
    Ich wich zurück, als er die Stange für die Kopfstütze hinter meinem Rücken in die Länge zog und die kalten Zinken an meinen Hinterkopf legte.
    Â»Sie müssen sich entspannen«, tadelte er.
    Es war schwer, nicht zusammenzuzucken, während er mich in die gewünschte Haltung brachte. Ein merkwürdiger Geruch hing in der Luft, eine Mischung aus Lavendelöl und etwas stark Süßem, das ich nicht benennen konnte. Dr. Sadie roch manchmal danach, wenn sie aus dem Krankenhaus kam. Was Mr. Sarony wohl sagen würde, wenn ich ihn um ein Porträt des Doktors mit ihrem Skelett bitten würde?
    Schließlich war Mr. Sarony mit mir fertig, ging zu seinem schweren Kamera-Monstrum und schlüpfte unter ein langes schwarzes Tuch. Es sah aus, als wäre er mit dem Gerät verwachsen: die Beine gespreizt, anstelle von Kopf und Oberkörper ein Kasten mit vier Augen, und das Herz war eine Glasplatte.
    Er rief mir etwas zu, seine Stimme kam gedämpft unter dem Tuch hervor. »Gleich hab ich Sie. Fünf, vier, drei, zwei, eins – denken.« Eine Hand erschien und nahm die Kappen von den Linsen.
    Ich blieb so still, wie ich konnte, und suchte nach der Antwort auf seine Frage. Wer wollte ich sein? So saß ich da, den Kopf und das Herz voller Erinnerungen – Cadet küsst mich sanft, Dr. Sadie wischt mir die Tränen fort, Mr. Dink streicht sich über den Bart, Mama reckt das Kinn und bindet sich ihr Tuch um den Kopf. In dem Moment, umgeben von den Insignien eines Lebens, das ich mir nie hätte träumen lassen, wusste ich es. Gleich, wie der Text auf der Karte lauten oder Mr. Dink mich auch nennen würde – wer mein Bild in den Händen hielt, sollte mich sehen: Moth, ein Mädchen aus der Chrystie Street.

7. Februar 1872 • THE EVENING STAR
    EINE WAHRE ZIRKASSISCHE SCHÖNHEIT
    T haddeus Dink, Betreiber des gleichnamigen Museums und des Palastes der Illusionen, gab jüngst die Ankunft einer neuen Darstellerin bekannt: Miss Zula Moth.
    Miss Zula Moth ist die zirkassische Schönheit par excellence , und ihre Geschichte so außergewöhnlich wie bewegend. Ihr Leben begann als Tochter eines Fürsten aus der Bergregion am Schwarzen Meer, doch dann wurde sie ihren Eltern durch einen Gewaltakt entrissen. Mit ihrem zirkassischen Blut gehört sie zu dem Volk, dessen Frauen als die schönsten der Welt gelten, und besonders die türkischen Sultane verlangt es für ihren Harem nach ihnen. Zirkassische Schönheiten werden an den höchsten Bieter verkauft und in ein alptraumhaftes Leben sexuellen Frondienstes gezwungen.
    Eine gewagte Rettung
    Die Sklavenmärkte der Türkei gelten seit jeher als Zentrum des Handels mit diesen zarten, unglücklichen Geschöpfen. Auch Zula Moth wurde gefangengehalten und sollte, den Männern zum Vergnügen, verkauft werden. Doch sie wurde von einem solchen Markte im tiefsten Dunkel Konstantinopels errettet.
    Ihre Dankbarkeit all denen gegenüber, die sie vor diesem Schicksal bewahrt haben, ist unermesslich. »In Amerika leben die Menschen in größerem Wohlstand und größerer Freiheit als sonst irgendwo auf der Welt. Ich schätze mich so glücklich, Ihr Land nun meine Heimat nennen zu dürfen.«
    Im nächsten Atemzug aber beklagt sie das Los ihrer weniger glückvollen zirkassischen Schwestern. »Jeden Tag werden Mädchen noch im zarten Alter von zwölf Jahren von ihren Familien verkauft. Für diese ist es das Geschäft ihres Lebens, wenn sie die Töchter nach Konstantinopel schicken.«
    Dort trifft die Frauen ein so schweres Los, dass sie lange vor ihrer Zeit faltig und alt werden. Mütter bringen die eigenen Töchter zum Markt, begierig auf den Preis, den sie – mit dieser für sie selbst nutzlosen – Ware erzielen.
    Miss Moth sagt, die Erinnerung an ihr Heimatland komme einem lückenhaften, verworrenen Traum gleich, daher hat sie auch die Beherrschung ihrer Muttersprache verloren. Bemerkenswerterweise hat sie die Sprache ihrer neuen Heimat sehr schnell erlernt. Ihre ungewöhnliche Anpassungsgabe und Aufnahmefähigkeit mögen in ihren ausgeprägten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher