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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten
Autoren: Ami McKay
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mich in ihre Arme und ließ den Tränen endlich freien Lauf. Sie zog mich an sich, sagte aber kein Wort.
    Ich hatte geglaubt, Miss Everetts Mädchen zu werden, wäre der Ausgleich für alles. Ich hatte geglaubt, es würde mir das Gefühl geben, etwas wert zu sein, selbst wenn dieses Gefühl an der Bezeichnung »Hure« hing. Ich hatte gedacht, ich könnte auf diesem Weg Mama, die Chrystie Street und all meine Ängste – vor Armut, vor Mr. Cowan, vor der Straße – vergessen. Aber nichts davon war eingetroffen.
    Ich versuchte, Dr. Sadie durch meine Tränen hindurch zu sagen, was sie doch bestimmt hören wollte. »Ich habe Ihren Rat befolgt. Ich habe ihn so gründlich angesehen, wie es ging. Ich glaube, er war gesund …«
    Â»Pscht, ist gut, Moth«, sagte sie und strich mir übers Haar. »Du brauchst nichts zu sagen.«
    Sie hätte Miss Everetts Anweisungen entsprechen und es einfach damit gut sein lassen können. Ich hätte ihr keinen Vorwurf gemacht, wenn sie mich für ein törichtes Mädchen gehalten hätte, das bekommen hatte, was es verdiente. Sie war mir von Anfang an, unbeirrt, voller Güte entgegengetreten, und ich hatte sie immer wieder zurückgewiesen. Plötzlich war ich mir selbst fremd. All die Träume von einem vollen Bauch, einem schönen Federbett und dem Gezwitscher von Miss Keteltas’ Vögeln waren nicht mehr meine.
    Â»Es tut mir so leid«, sagte Dr. Sadie, zog mir einen Quilt um die Schultern und trocknete meine Tränen mit ihrem Ärmel.
    Ich lehnte meinen Kopf an ihre Schulter und weinte wieder, doch diesmal war es mir, als wollten meine Tränen nie versiegen.

Meine geliebte Mutter,
    Ich bringe Dir Geschenke aus dem Leben in den Tod.
    Sprich zu mir,
    Gib Dich zu erkennen …
    XXXI
    A m nächsten Morgen weckte mich Miss Everett. Sie musterte mich ausdruckslos und legte eine Hand auf meine geschwollenen Lider. »Teekompressen«, sagte sie, »und noch ein wenig Schlaf. Von mir aus kannst du den Morgen im Bett verbringen. Du wirst die Ruhe nötig haben – er wird dich schon heute Abend erneut aufsuchen.«
    Â»So bald schon?« Ich traute meinen Ohren nicht.
    Â»Ja, meine Liebe. Es ist dir gelungen, den Herrn über das Maß zu beglücken. Er will dich unbedingt für sich allein haben.«
    Drei Garnituren Leibwäsche, sieben Paar Strümpfe,
zwei Tageskleider mit Unterröcken, ein Paar Stiefel,
eine weiche Tournüre und ein Korsett.
Eine Flasche Zirkassisches Haaröl – groß.
Eine Feder, ein Fässchen Tinte, zwei Stapel Papier
und eine Fünf-Cent-Briefmarke.
Ein seidener Promenadenanzug, mit passendem Hut,
Handschuhen und Stiefeln.
Zwei Abendtoiletten – eine mit, eine ohne Schleppe …
    Â»Heißt das, meine Schulden sind gedeckt?«
    Â»So gut wie, würde ich sagen, bis auf ein Kleid vielleicht, doch das schenke ich dir gern.« Unter der Tür wandte sie sich noch einmal um: »Das Zimmer gehört dir.«
    Als ich mich in den vielen Spiegeln erblickte, hätte ich sie am liebsten alle zerschlagen. Rose war die wunderschöne, vollkommene Hure und alles, was ich nicht war. Da konnte ich mich noch so sehr bemühen, für mich würde es niemals so leicht und richtig sein.
    Â»Warum, Mama, hast du mich verkauft?«, rief ich ihren Geist. »Warum hast du mich nicht geliebt?«
    Dann nahm ich ein Blatt Papier und kritzelte tintige, dunkle Buchstaben darauf. Mama hatte manchmal an ihrem Tisch gesessen, während sich ein Glas unter ihren Händen bewegte und sie die Botschaften von Geistern zischte. Ich wollte, dass ihr Geist in meine Hände kroch und mir eine Botschaft hinbuchstabierte.
    Ich hob einen Penny vom Boden, der Mr. Wentworth wohl aus der Tasche gefallen war, schob ihn in die Mitte des Papiers, legte sanft einen Finger darauf und wartete, dass sie ihn bewegte.
    Komm zu mir, Mama, gib dich zu erkennen.
    Ich unternahm mehrere Versuche, ihren Geist herbeizulocken, doch ich spürte nichts. Schließlich bewegte ich den Penny selbst über das Papier und schrieb: I-c-h-w-e-i-ß-w-a-s-d-u-g-e-t-a-n-h-a-s-t.
    Und schließlich, ob durch meine Hand oder Mamas Geist, bewegte sich die Münze doch noch von selbst über das Blatt: M-o-t-h-w-i-l-l-f-o-r-t-l-a-u-f-e-n.
    Ich zog meinen fliederfarbenen Promenadenanzug an, der mir von allen Kleidern, die mir Miss Everett gegeben hatte, am besten gefiel. Dann nahm ich einen
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