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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten
Autoren: Ami McKay
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freudlosen Erinnerungen ließen mich nicht los. Ein kleiner Trost war, dass ich mich nicht mit irgendeiner Krankheit angesteckt hatte.
    Â»Du bist ein so gutes, hübsches Mädchen«, sagte Dr. Sadie immer wieder. »Dir steht so vieles offen.«
    Einmal sprach sie von einer Schule gleich in der Nähe, wo ich etwas über Rechnen, Literatur und Schreibkunst lernen könnte, doch ich war nicht interessiert.
    Â»Verstehe«, sagte sie, flickte einen Träger an einer ihrer Schürzen und entließ den Vorschlag in die abendliche Stille.
    Gelegentlich begleitete ich sie auf ihrer Visite, aber solche Tage blieben die Ausnahme. Wenn Dr. Sadie fragte, ob ich mit zu Miss Tully kommen wolle, lehnte ich ab. Es war nicht recht von mir, doch ich konnte mich dazu nicht überwinden.
    Â»Ich bin bald wieder zu Hause«, sagte sie dann und ließ mich allein am Feuer zurück.
    Ich fragte mich, weshalb sie so viel Geduld mit mir zeigte. Und in meinen einsamen Stunden fragte ich mich auch, weshalb Miss Everett nicht zu Dr. Sadie kam und mich zurückforderte. Dr. Sadie hatte mir zwar versprochen, dass ich bei ihr in Sicherheit sei und Miss Everett nie wiedersehen müsse, doch sie hatte mir nicht erklärt, woraus sie diese Gewissheit bezog.
    Als Dr. Sadie ihren Wandkalender auf einen hellen, unbeschriebenen FEBRUAR 1872 blätterte, entschied ich mich, Mr. Dink aufzusuchen. Ich wollte Dr. Sadies Gastfreundschaft nicht über die Maßen ausnutzen und mit ihm über eine Anstellung im Museum sprechen. Vielleicht konnte ich Miss LeMar und Miss Eva mit den Kostümen zur Hand gehen und im Keller des Theaters bleiben. Denn selbst wenn Mr. Dink auf mich aufpassen würde, wollte ich nicht riskieren, dass mich Mr. Wentworth sah.
    Â»Glauben Sie, dass er mich nehmen wird?«, fragte ich Dr. Sadie in der Hoffnung, dass sie ein gutes Wort für mich einlegte.
    Â»Ganz sicher«, sagte sie. »Aber ich würde dich für diese Gelegenheit gern ein wenig zurechtmachen.«
    Â»Ich weiß nicht recht, ob ich verstehe.« Ich hielt meinen Promenadenanzug für die ideale Wahl. Etwas Besseres konnte mir Dr. Sadie bestimmt nicht bieten.
    Â»Vertraust du mir?«
    Â»Ja.«
    Kaum hatte ich ihr geantwortet, saß Dr. Sadie schon an ihrem Schreibtisch und verfasste einige Zeilen an Miss LeMar und Miss Eva. Darin bat sie die Damen, »einem jungen Mädchen bei einer kleinen magischen Verwandlung zu helfen«.
    Â»Zweitausend Dollar«, sagte ich zu Mr. Dink auf der anderen Seite des Tisches.
    Gedankenversunken strich er sich über das Kinn.
    Ich dachte schon daran, meine Forderung zurückzunehmen und ihn zu bitten, seinerseits eine Zahl zu nennen, doch Miss LeMar, die zu meiner Rechten saß, warf mir einen drohenden Blick zu: Weich bloß nicht von deiner Position ab , besagte der . Miss Eva, zu meiner Linken, verhielt sich ebenso.
    Ich trug ein Kostüm aus edler, bestickter Seide. Der Rock bestand aus zahllosen Rüschen, mein Obergewand reichte bis auf den Boden. Die beiden Schaustellerinnen hatten mein ohnehin widerspenstiges Haar mithilfe von Bier in eine üppige, krause Mähne verwandelt. Aus mir war eine wahre zirkassische Schönheit geworden.
    Â»Siebzehnhundert«, hielt Mr. Dink dagegen.
    Â»Eine Beleidigung«, empörte sich Miss Eva und verschränkte die Arme vor der Brust. Miss LeMar raunte mir zu: »Sag ihm, andernfalls gehst du zu Barnum.«
    Â»Zweitausend und keinen Penny weniger«, sagte ich. »Das würde mir jeder respektable Impressario oder Kuriositätenjäger bieten, wenn nicht mehr.«
    Â»Das ist Wegelagerei, mein liebes Mädchen!«, rief Mr. Dink.
    Â»Zweitausend«, wiederholte ich mit einem Lächeln. »Und meine unerschütterliche Loyalität gibt es dazu.«
    Er grinste breit und streckte die Hand aus. »Aber nur, weil Sie mich an ein Mädchen erinnern, das ich einmal kannte«, sagte er, als wir einschlugen, um unseren Handel zu besiegeln. »Ich meine mich zu entsinnen, dass sie Miss Fenwick hieß«, fügte er augenzwinkernd hinzu.
    Nachdem wir einige weitere Details besprochen hatten, sagte Mr. Dink, ich müsse so bald wie möglich fotografiert werden, damit er mein Bild auf eine Carte de visite drucken könne. »Mr. Sarony ist ein Zauberkünstler mit der Kamera. Aus Sonnenlicht, Silbernitrat und Glas macht er Stars.«
    Das Atelier des Fotografen lag in einem Obergeschoss am Union Square.
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