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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten
Autoren: Ami McKay
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Beherrschung, nicht die pummelige Engelsfigur in meiner Nähe zu berühren, nicht über ihre sanften, vollkommenen Zehen zu streicheln. Jedes Mal, wenn Mrs. Wentworth zwischen einem Paar hindurchschritt, glühte ihr müdes Gesicht gelb im Lampenschein.
    Als sie fort war, war es ganz still, bis auf das Ticken einer großen Standuhr. Das Pendel schimmerte bei jedem Schwung. Die Uhr zeigte Viertel nach eins. Bestimmt schlief irgendwo unter dem Dach schon eine ganze Schar von Dienstmädchen, und ich freute mich darauf, es ihnen gleichzutun.
    Â»Folgen Sie mir, Miss Fenwick«, wies mich Nestor an und entzündete eine Öllampe auf einem Marmortisch. »Es ist an der Zeit, dass Sie schlafen gehen.« Die Lampe, nun in seinen Händen, spuckte und qualmte fettig vor sich hin.
    Ich folgte dem Butler durch einen endlosen Korridor und bemühte mich sehr, nicht an einen der zahlreichen dünnbeinigen Ständer oder muschelförmigen Tische zu stoßen, die sich entlang des Gangs zogen. Auf jedem ruhte eine zarte Vase oder ein anderes wertvolles Ding, von Glaskuppeln geschützt. An den Wänden hingen Gemälde vornehmer Damen und Herren aus früheren Zeiten, ihre Mienen schauten so mürrisch auf mich herab, als würde ich über ihre Gräber spazieren.
    Â»Geben Sie acht«, warnte Nestor, als wir am Ende des Gangs zu einer zweiten Treppe gelangten, diese jedoch war schmucklos, steil und eng. Beim Hinaufgehen hielt Nestor die Lampe zur Seite, damit ich die Stufen besser sah.
    Neben uns kroch sein Schatten entlang – sein drohendes, gesichtsloses Anderes. Mir fielen all die Abscheulichkeiten ein, die ich in jenem Sommer auf den Vordertreppen und in den Hinterhöfen gehört hatte, von Mädchen, die von Fremden gepackt und fortgeschleppt wurden. So etwas geschah tatsächlich, im Herzen der Stadt, es stand in den Zeitungen und den Wochenjournalen, wo es jeder lesen konnte. Doch nur die hellhaarigen Mädchen aus gutem Hause schafften es im Vermisstenfall auf die Titelseite der New York Times oder des Evening Star , dabei verschwanden auch zahlreiche Mädchen aus Armut und Immigration. Dann hieß es nicht-amerikanisierter Herkunft , wenn die Zeitungen sie in die engen, hinteren Spalten des Polizeireports oder der Meldungen aus den Stadtvierteln verbannten.

    Eliza Adler war dreizehn Jahre alt und hatte nur zwei Häuser von uns entfernt gelebt. Sie wurde drei Tage lang vermisst, da entdeckte man ihre Leiche im East River. Zunächst wurde vermutet, sie wäre ins Wasser gegangen, aber ihre Mutter schwor, sie sei ein fröhliches Mädchen gewesen und hätte sich nie weit von ihrem Zuhause fortgewagt. Als die Polizei die Leiche näher besah, fielen ihr die Spuren auf. Das Mädchen war erschlagen und erwürgt worden. Eine Woche später fand man die sterblichen Überreste eines anderen Opfers, unter einem Heustapel in den Stallungen des Central Park. Dieses Mädchen war wegen einer Stelle als Zofe auf der Fifth Avenue aus einer Kleinstadt in Pennsylvania gekommen, und nun war es tot.
    In beiden Fällen hatte es Hinweise darauf gegeben, dass die Mädchen vor ihrem Tod von einem Mann geschändet worden waren. Verräterische Risse, Prellungen und Blut bestärkten den Verdacht.
    Â»Alles in Ordnung?«, fragte Nestor auf halber Treppe, woraufhin ich beinahe eine Stufe übersehen hätte. »Sie sind so furchtbar still da hinten.«
    Â»Alles bestens.« Hoffentlich hatte er meinen Schreck nicht bemerkt.
    Es war allgemein bekannt, dass ein neues Dienstmädchen oft zum persönlichen Vergnügen beiseitegenommen wurde – sei es vom Butler, Diener oder Hausherrn selbst. So etwas galt als deren Recht, als Selbstverständlichkeit in einem großen Haushalt. Ich hatte aber noch niemals etwas von mir preisgegeben. Ich hatte noch nicht einmal geblutet und auch noch nicht geküsst, und wie ich die Erwartungen eines Mannes erfüllen sollte, dazu wusste ich nur, was Mama mir einmal erklärt hatte. Ȇber die Männer brauchst du nur eines zu wissen – die wollen ihren Schwanz in so viele passende Löcher wie möglich stecken. Je reifer du wirst, umso weniger wird es wehtun. Also, halte dich davon fern, bis du so weit bist.«
    Ich kann ihn notfalls wegschubsen, die Treppe hinunterstoßen. Davonlaufen.
    Mama würde mir das nie verzeihen.
    Ich hatte immer deutlicher wahrgenommen, wie mich die Männer ansahen, sich die
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