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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss
Autoren: Susanne Goga
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sind Ausländerin, aber da Sie auf Empfehlung von Mrs. Manning kommen, wäre ich einverstanden, wenn Sie zunächst nur für einen Monat im Voraus bezahlen. Warmes Wasser auf Anfrage. Keine Besuche nach neun Uhr. Und keine Herrenbesuche. Sie können am Abend vorher Bescheid geben, ob Sie ein Frühstück wünschen oder außer Haus essen. Keine Mahlzeiten auf dem Zimmer.«
    Charlotte nickte. Sie kam sich plötzlich vor wie ein Kind, das von seiner strengen Mutter gemaßregelt wird, und war froh, als sie die Zimmertür hinter sich schließen konnte. Mrs. Farley hatte bei ihrem ersten Besuch betont, sie sehe sich gezwungen, Zimmer zu vermieten, da ihr Mann früh gestorben sei, gerade so, als wäre es etwas Anstößiges, dass sie Charlotte ein Zimmer in ihrem Haus überließ.
    Der Raum war sauber, aber klein und ziemlich dunkel. Man blickte auf einen winzigen, von Mauern umschlossenen Hof, in dem zwei Stühle und ein verdorrtes Bäumchen in einem Blumenkübel standen. Der Anblick machte Charlotte noch trauriger, als sie es ohnehin schon war.
    Sie packte ihre Kleidung aus, nur das Nötigste, als wollte sie auf gar keinen Fall hier heimisch werden, und hängte sie in den schmalen Schrank. Versonnen strich sie über ihr bestes Kleid aus dunkelgrünem Samt, das sie kaum getragen hatte. Dann nahm sie es vom Bügel und breitete es auf dem Bett aus. Das richtige Kleid für eine Einladung zum Tee.
    Da sich Sir Andrew großzügig gezeigt hatte, leistete sie sich eine Mietdroschke und nicht eins der üblichen Hansom Cabs, da Mrs. Farley ihr unmissverständlich erklärt hatte, dies sei ein Gefährt, wie es nur »Damen von zweifelhafter Moral« benutzten.
    Während der weiten Fahrt schaute Charlotte staunend hinaus. London war wirklich gewaltig. Sie überquerten die Vauxhall Bridge und fuhren an der Themse entlang, bis das Parlament und Westminster Abbey vor ihnen auftauchten. Charlotte erinnerte sich an den Tag ihrer Ankunft, als sie mit Emily und ihrem Vater über die Westminster Bridge gefahren war und einen ersten Eindruck von der Stadt gewonnen hatte. Sie verdrängte rasch den Gedanken, um sich die Freude an der Fahrt nicht zu verderben.
    Sie wusste nicht, in welche Richtung es ging, hatte im Gewühl völlig die Orientierung verloren und erhaschte nur dann und wann einen Blick auf ein Gebäude oder einen Platz, die sie von Abbildungen kannte. Die Nelson-Säule auf dem Trafalgar Square, dann von fern die Kuppel der St. Paul’s Cathedral. Doch der Kutscher fuhr immer weiter, und sie argwöhnte schon, sie werde sich alsbald auf dem Land wiederfinden. Diese Stadt hörte einfach nicht auf.
    Dann endlich rollten sie auf einen von hübschen Häusern gesäumten Platz mit einer kleinen Grünfläche in der Mitte. Ein weißer Kirchturm schaute zwischen den Gebäuden hindurch. Hier wirkte alles kleiner, der Platz fast wie ein Dorfplatz, der sich in die Metropole verirrt hatte. Der Kutscher hielt vor einem Haus aus rötlichem Backstein, dessen Erdgeschoss weiß gestrichen war. An der blau lackierten Tür prangte ein polierter Messingklopfer.
    »Wir sind da, Miss.« Er half ihr beim Aussteigen, und sie zahlte den Preis von drei Shilling, auf den sie sich vor Antritt der Fahrt geeinigt hatten. Während der Wagen wieder anrollte, schaute sie an der Fassade des Hauses hoch und spürte, dass ihr Herz heftig klopfte.
    Unterwegs hatte sie sich auf das lebhafte Treiben in den Straßen und die ganze Pracht der Großstadt konzentriert, doch als sie nun auf dem stillen Gehweg stand, war sie auf einmal schrecklich nervös. Bevor sie gänzlich der Mut verließ, trat sie vor und betätigte den Türklopfer.
    Ein Hausmädchen öffnete und lächelte freundlich. »Sie wünschen, Miss?«
    »Ich möchte Mr. Ashdown besuchen. Er erwartet mich«, fügte sie entschlossen hinzu.
    »Bitte kommen Sie herein.« Im Hausflur mit den schwarz-weißen Fliesen war es angenehm warm, und es roch nach Holzpolitur und Bienenwachs. Als sie dem Mädchen Hut und Mantel reichte, bemerkte sie am Garderobenständer zwei Damenmäntel. Sie spürte ein Gefühl der Beklommenheit, doch dann öffnete sich eine Tür, und Tom Ashdown trat ihr entgegen.
    »Charlotte, was für eine Freude! Aber – Sie schauen so betreten …«
    Charlotte lächelte beschämt. »Nichts, schon gut. Ich freue mich auch.«
    Er führte sie in ein behagliches Esszimmer, in dem ein Teetisch gedeckt war. Dann rief er durch die offene Flügeltür, hinter der Bücherregale und ein großer Schreibtisch zu sehen waren:
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