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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss
Autoren: Susanne Goga
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»Würdet ihr drei euch bitte herbemühen und meinen besonderen Gast begrüßen? So interessant ist der Schädel nun auch wieder nicht.« Er schaute Charlotte belustigt an. »Yoricks Schädel, ein Requisit, das mir ein befreundeter Regisseur vor Jahren überlassen hat. Kein echter – hoffe ich jedenfalls. Zuzutrauen wäre es ihm schon.«
    Im nächsten Moment traten zwei Frauen und ein Mann durch die Tür.
    »Darf ich vorstellen – Sarah und Dr. John Hoskins aus Oxford, liebe alte Freunde. Und das ist Miss Emma Sinclair, Mrs. Hoskins’ Schwester. Hier lernt ihr Miss Charlotte Pauly aus Deutschland kennen. Wir haben viel zusammen erlebt.«
    Als Erstes bemerkte Charlotte den Blick der jüngeren Frau. Ein flüchtiges Stutzen, ein Hauch von Unwillen, bevor sie ihr lächelnd die Hand gab. Sie war zierlich und blond, mit blauen Augen, die beinahe zu groß für ihr Gesicht waren. Die Schwester sah ihr ähnlich, wirkte aber robuster und humorvoller. Der Mann mit der Metallbrille und dem Tweedjackett mit Lederflicken auf den Ärmeln sah aus, wie sie sich einen Gelehrten vorstellte.
    »Sehr erfreut«, sagte Charlotte und spürte dabei eine Enge in der Brust, die sie irritierte. »Ich … Ich will nicht stören.« Sie warf einen hilfesuchenden Blick zu Tom Ashdown.
    »Charlotte, meine Freunde haben sich die Freiheit genommen, sich selbst zum Tee einzuladen, wohingegen meine Einladung an Sie seit Tagen besteht. Aber ich habe es nicht übers Herz gebracht, sie bei diesem Wetter wieder vor die Tür zu setzen.«
    »Du bist unverbesserlich«, sagte Mrs. Hoskins und ging zum Tisch. »Wie lange willst du uns diese Leckereien noch vorenthalten?«
    Charlotte lächelte und schaute sich im Zimmer um. »Sie haben es hier sehr behaglich – Tom.« Auf einmal ging ihr sein Vorname schwer über die Lippen.
    »Bitte zu Tisch«, sagte er und bot ihr und Emma Sinclair einen Stuhl an.
    Die anderen Besucher waren freundlich und erkundigten sich nach Charlottes Heimat und ihrer Arbeit, doch sie war gehemmt, was auch daher rührte, dass sie zurzeit keine Arbeit hatte und über ihre vorherige Stelle nichts erzählen durfte. Einmal spürte sie, wie Tom ihr zur Ermutigung flüchtig die Hand auf den Arm legte.
    »Was hast du eigentlich in letzter Zeit getrieben?«, fragte Mr. Hoskins unvermittelt. »Mir kommt es verdächtig vor, wie du den linken Arm hältst. Bist du in eine zwielichtige Geschichte geraten? Ein Duell mit einem beleidigten Schauspieler oder dem Mäzen einer Diva, die du in einer Rezension der Lächerlichkeit preisgegeben hast? Eine Kneipenschlägerei vielleicht?«
    Charlotte meinte, eine gewisse Röte in Toms Gesicht zu bemerken.
    »Ach was. Verstaucht, bin unglücklich auf der Treppe gestolpert. Und vielen Dank auch, dass du den Damen gegenüber solche wenig schmeichelhaften Vermutungen äußerst. Wenn man dich als Freund hat, braucht man keine Feinde mehr.«
    »Wir wissen doch, dass Sie ein Ehrenmann sind«, entgegnete Miss Sinclair und warf einen flüchtigen Blick auf Charlotte.
    »Emma wird länger in London bleiben. Sie möchte bei einer Freundin wohnen und einen Kurs an einer Kunstschule besuchen«, erklärte Mrs. Hoskins beiläufig, schaute Tom aber erwartungsvoll an.
    Auf einmal wurde es Charlotte heiß, sie konnte kaum noch atmen. Es kam ihr vor, als wäre sie in ein Theaterstück geraten, dessen Handlung und Text alle außer ihr kannten, dessen Darsteller seit einer Ewigkeit befreundet waren und sich die Stichworte wie Bälle zuwarfen. Ihre Hände umklammerten so fest die Stuhlkante, dass es wehtat.
    »Sie würde sich freuen, wenn du dir ihre Bilder gelegentlich ansehen und ihr einen Rat geben könntest«, fügte John Hoskins hinzu.
    Als Charlotte aufstand, wusste sie noch nicht, was sie im nächsten Augenblick sagen würde.
    »Ich … Verzeihung, ich kann nicht länger bleiben.« Mehr brachte sie nicht heraus. Sie wollte nur noch fort aus diesem Zimmer, aus diesem Haus, hinaus in den kalten Winterabend.

38
    Er hatte sich bei seinen Gästen entschuldigt und eilig das Haus in Richtung einer belebteren Straße verlassen, wobei er sich erst im Laufen den Mantel zuknöpfte und einen Schal um den Hals wickelte. Dabei wäre er beinahe mit einem Maronenverkäufer zusammengeprallt, der auf dem Gehweg seine Ware anbot. Kurz darauf winkte Tom dem nächsten Hansom.
    »Chester Square, so schnell wie möglich.«
    Der Kutscher sah ihn mitleidig an. »Schlechte Uhrzeit, Sir. Ich tu mein Bestes, aber Sie sehen ja …« Er deutete mit
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