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Der verborgene Stern

Der verborgene Stern

Titel: Der verborgene Stern
Autoren: Nora Roberts
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die Tasche, steckte die Hand hinein, tastete nach dem dicken, schweren Samtbeutel. „Ich vermute, das ist überhaupt das Wichtigste.“
    Sie zog den Beutel sehr vorsichtig heraus, beinahe ehrfürchtig, öffnete den Knoten und ließ den Inhalt auf ihre Handfläche gleiten.
    Das Geld hatte ihn überrascht, die Waffe hatte ihn beunruhigt. Aber das hier flößte ihm Ehrfurcht ein! Das Glitzern, dieses selbst in dem regendüsteren Zimmer hoheitsvolle Glitzern, besaß eine atemberaubende Anziehungskraft. Der Edelstein füllte ihre Handfläche gänzlich aus, die Kanten waren sauber und scharf genug geschliffen, um noch das schwächste Licht einzufangen und in gleißenden Strahlen in den Raum zurückzuwerfen. Dieser Stein gehörte in die Krone einer Königin oder zwischen die Brüste einer uralten antiken Göttin.
    „Ich habe noch nie einen so großen Saphir gesehen.“
    „Das ist kein Saphir.“ Sie nahm seine Hand und legte den funkelnden Stein hinein. „Das ist ein blauer Diamant, ungefähr einhundert Karat. Brillantschliff, vermutlich von Asia Minor. Mit bloßem Auge sind keine Einschlüsse erkennbar, und sowohl die Farbe als auch die Größe sind außerordentlich selten. Ich schätze, er ist locker dreimal so viel Wert wie das Geld in der Tasche.“
    Cade sah nun nicht mehr den Stein an, sondern sie. Als sie den Blick zu ihm hob, schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß nicht, woher ich das weiß. Aber ich weiß es. Genauso wie ich weiß, dass das nicht alles ist … dass es nicht komplett ist.“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Ich wünschte, ich wüsste es. Aber es ist ein sehr starkes Gefühl, fast so, als würde ich mich erinnern. Ich weiß, dass dieser Stein ein Teil der Geschichte ist. Genauso wie ich weiß, dass er keinesfalls mir gehören kann. Er gehört eigentlich niemandem. Niemandem“, wiederholte sie. „Ich muss ihn gestohlen haben.“
    Sie presste die Lippen zusammen, hob das Kinn und straffte die Schultern. „Und dafür habe ich womöglich getötet.“

2. KAPITEL
    C ade nahm Bailey mit zu sich nach Hause. Etwas Besseres fiel ihm auf die Schnelle nicht ein. Außerdem wollte er die Stofftasche samt Inhalt so schnell wie möglich in seinem Safe verstauen.
    Sie hatte nicht protestiert, als er sie aus dem Gebäude geführt hatte, und sie hatte auch keinen Kommentar abgegeben, als er sie auf den Beifahrersitz seines Jaguars gesetzt hatte. Normalerweise zog er es vor, mit seinem alten, ziemlich verbeulten Sedan zur Arbeit zu fahren, aber nachdem der gerade in Reparatur war, war ihm nur der auffällige Jaguar geblieben.
    Die ganze Zeit über sagte sie nichts, auch nicht, als er in eine wunderschöne Wohngegend mit einer Allee schattenspendender Bäume einbog und vor einem würdevollen, im typischen Südstaatenstil errichteten Gebäude hielt. Er wollte ihr schon erklären, dass er das Haus von einer Großtante geerbt hatte, die eine Schwäche für ihn hatte – was ja auch stimmte. Und dass er hier wohnte, weil ihm die Ruhe und der Komfort der Wohngegend gefielen.
    Aber sie fragte gar nicht erst.
    Cade hatte den Eindruck, dass sie vollkommen erschöpft war. Die Energie, die sie gebraucht hatte, um durch den Regen zu laufen, sein Büro zu finden und ihre Geschichte zu erzählen, war endgültig aufgebraucht. Sie wirkte beinahe teilnahmslos.
    Und wieder so zerbrechlich. Er musste sich zwingen, sie nicht einfach auf seine Arme zu heben und ins Haus zu tragen. Dabei hatte er das Bild schon genau vor Augen: Er, der tapfere Ritter, der die Jungfrau in die Sicherheit seiner Burg brachte. Weg von all den bösen Drachen, die hinter ihr her waren.
    Er musste wirklich aufhören, solchen Blödsinn zu denken.
    Also schulterte er die Stofftasche, nahm Bailey an der Hand und zog sie mit sich zum Eingangsbereich, dann den Flur hinunter und direkt in die geräumige Wohnküche.
    „Rührei“, sagte er, schob ihr einen Stuhl zurecht und drückte sie sanft darauf.
    „Ja. Gut. Danke.“
    Sie fühlte sich steif und desorientiert, gleichzeitig war sie ihm unendlich dankbar. Er löcherte sie nicht mit Fragen, er schien auch nicht besonders schockiert oder abgestoßen von ihrer Geschichte zu sein. Vielleicht lag es an seinem Beruf, dass er das alles so gelassen hinnahm. Egal, woran es lag, sie war einfach nur froh, dass er ihr Zeit gab, sich zu erholen.
    Geschickt schlug er ein paar braune Eier in eine Schüssel, dann steckte er Brotscheiben in den Toaster. Ich sollte ihm meine Hilfe anbieten, dachte sie. Das wäre das Mindeste.
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