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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
Autoren: Jay Lake
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Ausbesserungen. »Was machen wir hier?«
    Der Madenmann lächelte, seine Lippen blieben verschlossen und traurig. Er antwortete erneut in Petraeanisch. Dann fügte er in Worten meiner Sprache hinzu: »Wir reisen über das Sturmmeer nach Copper Downs.«
    Ich sagte trotzig, wie Kinder sind, wenn alles andere versagt: »Ich will nicht nach Copper Downs. Ich will nach Hause.«
    Sein Lächeln verflog. »Copper Downs ist jetzt dein Zuhause.«
    Ich überlegte. Wir hatten meine Seide mit den tausend Glöckchen nicht mitgebracht. »Dann wird Papa da sein? Und Ausdauer?«
    »Dein neues Zuhause.« Der Antwort folgte ein neuer Schwall fremdartiger Worte.
    Lügen. Nichts als Lügen. Er hatte Papa belogen … und mich. Ausdauer hatte versucht, mich zu warnen, aber ich hatte meinem Vater gehorcht und war mit diesem Mann gegangen.
    Hatte Papa mich auch belogen?
    Ich beschloss, nach Hause zu gehen und ihn zu fragen. Ich wartete nur auf den richtigen Augenblick. Ich legte mich auf eines der Betten und ließ den Madenmann nicht aus den Augen.
    Bald verlor er die Lust, mich ständig zu beobachten, und setzte sich an seinen kleinen Tisch. Er holte sein Papier aus seinem Beutel und begann wieder mit dem Stäbchen zu kratzen. Hin und wieder warf er mir einen Blick zu, doch sein Interesse galt mehr seiner Tätigkeit als mir.
    Der Boden ächzte und schwankte wie ein Baum im Sturm, obgleich helles Licht aus einem klaren Himmel durch das Fenster fiel. Die Seeleute schien es nicht aufzuregen. Das Boot bewegte sich. Es kam mir vor wie Ausdauer nachts in seinem Stall. Unter dem Boden schnaufte und krümmte sich etwas Gewaltiges. Vielleicht hatten sie einen Riesenochsen, der es durch das Meer zog?
    Aber das war jetzt unwichtig. Ich würde bald verschwinden. Zwar konnte ich meine Neugier ebenso wenig unterdrücken wie das Atmen, aber ich ignorierte sie.
    Das Spiel war vorbei.
    Ich wartete, bis zwischen den gelegentlichen Blicken des Madenmannes zu mir herüber mehr Atemzüge vergingen, als ich zählen konnte. Ich beschäftigte mich damit, die Verriegelung an der Tür dieses kleinen Hauses eingehend zu betrachten. Ein großer, glänzender Hebel befand sich unter einem Griff, den man offenbar in die Hand nehmen musste. Als wir eintraten, hatte ihn der Madenmann benutzt, um die Tür zu schließen.
    Zwar hatte ich nicht viele Türen in meinem Leben gesehen, doch auch Tierpferche besaßen Gatter. Das hier war nicht viel anders. Mir wurde klar, dass ich mich geirrt hatte, als ich dachte, hier gäbe es keinen Käfig. Dieser Käfig war nur größer und die Gitter waren nicht so offensichtlich.
    Als er sich nach seinem nächsten prüfenden Blick wieder seinem Papier zuwandte, war ich bereit. Ich sprang aus dem Bett, packte den Griff und riss die Tür auf. Mit gesenktem Kopf lief ich an den Knien und Schenkeln der Matrosen vorbei auf die Reling zu. Ich war schneller, als sie alle erwarteten. Der Boden war noch immer so voll wie zuvor, allerdings war er jetzt von vielen Seilrollen bedeckt, während riesige Tücher hochgezogen wurden und im Wind knallten.
    Männer riefen etwas, doch es waren kaum ein Dutzend Schritte bis zum Rand. Keiner hatte mich erwartet, keiner Ausschau nach mir gehalten.
    Wie weit konnten wir von der Küste weg sein?
    Als ich über das Geländer hinabsprang, sah ich kein Land ringsum. Aber Wasser war Wasser. Ich konnte hier ebenso gut schwimmen wie in einem Graben zu Hause. Unglücklicherweise war dieser Graben so breit wie die Welt geworden, und die andere Seite blieb unerreichbar.
    Dann tauchte ich ins Meer ein. Das Wasser war kälter, als ich gedacht hatte, und es brannte schrecklich im Mund. Das war der Geschmack des Schweißes der Erde. Alles unter mir war dunkel und grau. Ich konnte gar nichts sehen.
    Ich tauchte mit Leichtigkeit an die Oberfläche und schwamm vom Boot weg.
    Hinter mir hörte ich Rufe. Ich drehte mich auf den Rücken und blickte zurück, während ich weiterschwamm. Wütende Männer standen am Geländer und deuteten und schrien. Ich lächelte über ihren Ärger, obgleich einer einen großen Speer hob.
    Aufblitzend flog ein silberner Pfeil auf mich zu. Ich begann zu schreien, als er über meinen Kopf hinwegzischte. Ich wandte mich wieder um und tauchte fast unter.
    Einen langen Moment sah ich das Ende aller Dinge. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Tod in diesem Alter irgendeine klare Bedeutung hatte, aber ich wusste, dass Menschen starben und dass sie nicht mehr zurückkehrten, wenn sie tot waren.
    Ein
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