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Der Väter Fluch

Der Väter Fluch

Titel: Der Väter Fluch
Autoren: Faye Kellerman
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Sohnes.«
    »Die Fotos der Toten?« Golding ließ den Kopf zwischen seine Knie sinken. »Mein Vater... was hat er verbrochen?«
    »Carter, ich würde niemals so früh hier auftauchen, wenn ich schlechte Neuigkeiten hätte. Lassen Sie mich es Ihnen nur einfach erklären, und dann können Sie so viele Fragen stellen, wie Sie wollen.«
    Langsam richtete er sich auf. »Es ist also gar nicht schlimm?«
    »Nein, es ist nicht schlimm...«
    »Nur kompliziert.« Golding sah sie direkt an. »Tut mir Leid. Bitte, fahren Sie fort.« Plötzlich versuchte jemand, von außen die Tür zu öffnen.
    »Besetzt!«, rief Golding. »Verschwinde.« Das Geräusch leiser werdender Schritte. Carter lachte bitter auf. »Ich bin zu erschöpft, um höflich zu sein. Bitte, reden Sie weiter.«
    Rina räusperte sich. »Vieles von dem, was ich Ihnen jetzt erzählen werde, ist reine Vermutung, aber ich glaube, dass es sich so zugetragen hat. Als Ernesto alte Papiere und Dokumente durchgegangen ist, um sein Referat zur Familiengeschichte zu schreiben, hat er diese schrecklichen Schnappschüsse gefunden...«
    »Meinen Sie, ich sollte sie mir ansehen?«
    »Sie sind sehr drastisch. Aber wenn ich mit meiner Geschichte fertig bin, werden Sie sie vielleicht gern sehen wollen. Darf ich fortfahren?«
    »Natürlich.«
    »Ernesto fand diese Bilder unter den Sachen Ihres Vaters. Und als er weitere Nachforschungen anstellte, entdeckte er einige Unstimmigkeiten bei der Einwanderung Ihres Vaters nach Amerika. Er nahm das Schlimmste an... was wirklich sehr bedauerlich ist, denn ich habe mit jemandem gesprochen, der vielleicht Kontakt zu Ihrem Vater hatte, als dieser noch ein Junge war - als sie beide noch Jungen waren. Ich zeigte ihm das Familienfoto, das Sie mir gegeben hatten - das Bild von Ihnen, Ihrem Vater und Ihren beiden Söhnen. Ihren Vater erkannte er nicht, aber bei Ihrem Sohn Karl glaubte er eine gewisse Ähnlichkeit mit jemandem festzustellen, den er in seiner Jugend getroffen hatte.«
    »Karl war Dad wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagte Carter aufgeregt. »Wer ist dieser Mann?«
    »Einer der wenigen Überlebenden von Treblinka.«
    »Also war mein Vater tatsächlich in dem Lager?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Ich erzähle Ihnen jetzt etwas über einen vielleicht sechzehnjährigen Jungen - ein Pole, kein Jude. Das Ganze spielte sich um 1943 ab, kurz bevor Treblinka von den Nazis niedergebrannt wurde. Dieser Junge, der Sohn eines polnischen Polizisten, schlich sich regelmäßig in die Nähe des Lagers, direkt bis an den Elektrozaun. Dort nahm er Fotos von den Lagerinsassen auf: Manche lebten noch, andere waren schon tot. Ich weiß nicht, warum er diese Bilder machte. Aber ich weiß, dass er dadurch sein eigenes Leben aufs Spiel setzte. Er gehörte nicht der SS an, und wenn man ihn erwischt hätte, wäre er erschossen worden. Darüber hinaus gab der Junge den Insassen Lebensmittel -Ersatzbrot, kleine Stückchen Möhren, Rüben und Kartoffeln... einmal sogar Erdbeeren. Jedes Nahrungsmittel war ein kostbares Gut, nicht nur bei den Lagerhäftlingen, sondern auch bei der gesamten polnischen Bevölkerung. Daher war das, was der Junge tat, sehr, sehr großzügig. Und es ist denkbar, dass dieser Junge Ihr Vater war.«
    »Wie hieß dieser Junge?«, flüsterte er.
    »Das weiß ich nicht. Und auch der Mann, mit dem ich gesprochen habe, wusste es nicht.«
    »Und wer ist dann Isaac Golding?«
    »Keine Ahnung. Ernesto hatte irgendwelche Informationen, aus denen hervorging, dass Yitzchak Golding in Treblinka gestorben ist. Aber mir ist nicht bekannt, woher er sie hatte.«
    »Wenn mein Vater also nichts verbrochen hat, warum nahm er dann diesen Namen an?«
    »Vielleicht war es nicht er, sondern seine Eltern, die das taten, weil sie die Namen von Toten benötigten, um den Kriegsverbrechertribunalen zu entkommen und sich falsche Papiere zu beschaffen. Ich sage nicht, dass es so gewesen ist, aber wer weiß? Vielleicht hat Ihr Vater aber auch diesen Namen angenommen, weil es der Name eines Lagerinsassen war, der einen besonders nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterlassen hat. Möglicherweise war es eine Geste, um diesen Mann zu ehren. Vielleicht können Sie das selbst herausfinden. Es gibt zahlreiche Listen und Archive. Sie wissen jetzt, dass Yitzchak Golding nach Treblinka gebracht wurde. Wenn Sie intensiv genug nachforschen, stoßen Sie vielleicht irgendwo auf Yitzchak Goldings wahre Geschichte. Das hängt ganz davon ab, wie weit Sie gehen möchten.«
    Beide schwiegen
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