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Der Väter Fluch

Der Väter Fluch

Titel: Der Väter Fluch
Autoren: Faye Kellerman
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sein, weil ihre Söhne schon fast aus dem Haus waren. Shmueli hatte seine Sachen gepackt und sich nach Israel aufgemacht, und Yonkie, obwohl erst in der elften Klasse, würde vielleicht sein Abschlussjahr im Osten verbringen und die Jeschiwa Highschool beenden, während er sich gleichzeitig schon an der Universität einschrieb. Peters Tochter Cindy, mittlerweile eine erfahrene Polizistin, hatte ein äußerst traumatisches Jahr hinter sich. Gelegentlich kam sie am Sabbat zum Essen und besuchte ihre kleine Schwester - für Cindy jedes Mal ein Erlebnis, weil sie selbst als Einzelkind aufgewachsen war. Rina war die Mutter einer echten Patchwork-Familie, die ihr manchmal wie das reinste Chaos erschien.
    Ihr Herz schlug schneller, als sie vor dem Laden eintraf. Das winzige Gotteshaus war Teil eines kleinen Einkaufszentrums, zu dem auch ein Maklerbüro, eine chemische Reinigung, ein Nagelstudio und ein thailändischer Imbiss gehörten. Im obersten Stock befanden sich ein Reisebüro und eine Anwaltskanzlei, die im Kabelnachtprogramm mit fröhlichen Interviews ihrer zufriedenen ehemaligen Klienten warb. Zwei schräg geparkte schwarzweiße Streifenwagen beanspruchten den größten Teil der winzigen Parkfläche; ihre Lichtbalken sandten im Wechsel rote und blaue Blitze aus. Vor der Synagoge hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt, aber auch durch sie hindurch konnte Rina Teile eines frisch gemalten schwarzen Hakenkreuzes erkennen. Ihr sank der Mut.
    Sie zwängte ihren Volvo neben einen der Streifenwagen auf dem Parkplatz. Noch bevor sie aussteigen konnte, versuchte ein Uniformierter - ein Klotz von einem Mann in den Dreißigern -, sie wieder vom Parkplatz zu dirigieren. Rina erkannte ihn nicht, aber das hatte nichts zu sagen, weil sie die meisten der uniformierten Beamten im Devonshire-Revier nicht kannte. Peter war als Detective dorthin versetzt worden, nicht als Streifenpolizist.
    »Sie können hier nicht stehen bleiben, Ma'am«, sagte der Officer.
    Rina kurbelte die Scheibe herunter. »Die Polizei hat mich benachrichtigt. Ich habe die Schlüssel zur Synagoge.« Der Polizist wartete; sie wartete.
    Nach einer Weile sagte sie: »Ich bin Rina Decker, die Frau von Lieutenant Decker...« Sofortiges Erkennen. Der uniformierte Beamte nickte entschuldigend und murmelte dann:
    »Kinder!«
    »Wissen Sie, wer das getan hat?« Rina stieg aus dem Wagen.
    Die Wangen des Polizisten röteten sich. »Nein, noch nicht. Aber wir werden die Täter finden. Vermutlich waren es irgendwelche Jugendliche.«
    Ein weiterer Cop kam zu ihr herüber, den Streifen auf der Uniform nach ein Sergeant; auf seinem Namensschildchen las sie Shearing. Er war stämmig, mit gewelltem, spülwasserfarbenem Haar, rötlicher Gesichtsfarbe und schon etwas älter: Mitte bis Ende fünfzig. Sie erinnerte sich vage, ihn bei einem Picknick oder einem anderen gesellschaftlichen Anlass schon einmal gesehen zu haben. Der Name Mike fiel ihr ein. Er streckte ihr die Hand entgegen. »Mickey Shearing, Mrs. Decker. Tut mir Leid, Sie wegen einer solchen Sache herrufen zu müssen.« Er bahnte ihr den Weg durch die kleine Schar von Neugierigen, die sich durch diese Störung belästigt fühlten. »Bitte... treten Sie doch zurück... oder besser, gehen Sie nach Hause.« Dann rief er seinen Männern zu: »Kann mal jemand das Gebäude absperren, und zwar sofort?!«
    Als die Gaffer langsam zur Seite wichen, konnte Rina die Fassade vollständig sehen: ein großes Hakenkreuz, flankiert von ein paar kleineren auf jeder Seite. Daneben hatte jemand in Sprühfarbe geschrieben: Tod allen Untermenschen! Sie spürte, wie Tränen der Wut ihr in die Augen traten. »Ist das Schloss aufgebrochen worden?«, fragte sie den Sergeant.
    »Ja.«
    »Waren Sie schon drin?«
    »Leider ja. Es ist...«, er schüttelte den Kopf, »es ist ziemlich heftig.«
    »Meine Eltern sind Überlebende der Konzentrationslager. Ich kenne so etwas.«
    Er zog eine Augenbraue hoch. »Passen Sie auf, wohin Sie treten. Wir sollten nichts verändern, bis die Detectives kommen.«
    »Wer wird den Fall übernehmen?«, fragte Rina. »Wer ist für solche Delikte zuständig?«
    Sie wartete die Antwort nicht ab. Als sie über die Schwelle trat, spürte sie, wie sich ihr Körper verkrampfte und sie unwillkürlich die Zähne zusammenbiss.
    Sämtliche Wände waren mit bösartigen Sprüchen beschmiert, die alle auf unterschiedliche Art die Ausrottung der Juden forderten. Dazu so viele Hakenkreuze, dass es wie ein Tapetenmuster aussah.
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