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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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enthülle ich den geheimen Ort, an dem ich meine Daguerreotypien versteckt habe.«
    »Deine was?«
    »Anaïs wird es dir erklären. Falls sie überlebt. Und das tut sie nur, wenn du die Regeln befolgst.«
    Kubiela schüttelte den Kopf.
    »Seit dem Beginn dieser Geschichte verfolgen mich zwei Männer, um mich zu töten. Irgendwann saß ich am längeren Hebel. Aber sicher werden andere kommen.«
    »Die Wogen werden sich glätten. Ganz bestimmt.«
    »Und jetzt willst du mich nicht mehr beschützen? Mich ins Gefängnis werfen oder einweisen lassen?«
    »Du hast bis jetzt überlebt. Du bist für das Überleben geschaffen – mit mir oder ohne mich.«
    Kubiela nahm die Akte in die Hand. Vielleicht enthielt sie wirklich die Möglichkeit, endlich wieder ein normales Leben zu führen. Blieb noch ein Detail. Eine fundamental wichtige Einzelheit.
    »Was ist mit meiner Krankheit?«
    »Du hast das Implantat entfernt und stehst daher nicht mehr unter dem Einfluss der Substanz. Eigentlich gibt es keinen Grund mehr, dass du noch einmal eine Amnesie erleidest. Natürlich kann ich es nicht beschwören. Du bist ein unbeendetes Experiment. Rette deine Haut, François. Und die von Eurydike. Das ist jetzt deine einzige Aufgabe.«
    Toinin trat zu Anaïs. Kubiela begriff, dass er nicht bluffte. Er wollte sie tatsächlich freilassen. Ein Gott des Olymp, der zwei Sterblichen einen Aufschub gönnte.
    »Warum haben wir nicht gleich mit dieser Akte begonnen?«, schrie er gegen die tobenden Wellen an. »Dann hätte kein Unschuldiger sein Leben lassen müssen.«
    »Du darfst nicht vergessen, dass Götter gerne spielen. Und dass sie eine Schwäche für Blut haben.«
    Toinin zog Anaïs die Sturmhaube vom Kopf. Ihre Lippen sahen aus, als hätte man sie mit einem Brandeisen malträtiert. Der Klebstoff hatte eine Schwellung verursacht und die Haut um die Mundwinkel stark gereizt. Kubiela musste an einen entstellten Clown denken. Ihrem Körper fehlte es an Spannkraft – sie war zwar nicht ohnmächtig, aber sehr schläfrig.
    »In diesem Zustand ist sie keinesfalls in der Lage, den ganzen Bunker zu durchqueren.«
    Toinin zog eine in Plastik eingesiegelte Spritze aus der Tasche, zerriss die Umhüllung mit den Zähnen und versenkte die Spitze in einem winzigen Fläschchen. Anschließend ließ er einige Tropfen nach oben entweichen.
    »Ich wecke sie.«
    »Und die Fesseln?«
    »Die behält sie. Das gehört zu den Spielregeln.«
    »Und woher weiß ich, dass sie wirklich hinter mir ist?«
    Tonin entblößte Anaïs’ Arm und setzte die Spritze.
    »Ich erwarte von dir nur eines: Vertrauen. Vertrauen ist der Schlüssel, der dir hinaus in die Freiheit hilft.«
    Erneut musste Kubiela feststellen, dass für seinen wahnsinnigen Vater ganz eigene Zusammenhänge existierten. Wie bei seinen Morden folgte er dem Wortlaut der Mythen bis ins Detail. Er würde sich genauso verhalten wie Hades, nachdem er Eurydike freigegeben hatte. Kubiela hingegen musste versuchen, den von Orpheus begangenen Fehler zu vermeiden.
    Auf keinen Fall umdrehen .
    Der alte Mann injizierte Anaïs das Gegenmittel. Dann trat er auf Kubiela zu und zeigte auf die halb geöffnete Tür, durch die immer noch wirbelnde Gischt in den Raum drang.
    »Steig die Treppe hinauf. Wenn eine Welle kommt, hältst du die Luft an. Am Ende der Liegeplätze winkt die Freiheit.«
    Zum letzten Mal betrachtete Kubiela den wahnsinnigen Alten mit seinen gebräunten, gegerbten Zügen. Plötzlich kam es ihm vor, als betrachtete er sich selbst in einem fleckigen alten Spiegel. Hinter ihm schien Anaïs langsam aufzuwachen.
    »Geh jetzt«, murmelte Toinin. »In ein paar Sekunden wird sie dir folgen.«
    »Wirklich?«
    Der Mörder zwinkerte ihm zu.
    »Die Antwort bekommst du am Ausgang des Bunkers.«

S chon seit langer Zeit waren die Liegeplätze tote, öde Hallen. Unterseeboote gab es hier schon seit Kriegsende nicht mehr. In dieser Nacht jedoch erweckten wütend tosende Wellen die vergessenen Höhlen zu neuem Leben.
    Hinter einer Mauer verborgen stand Kubiela unbeweglich auf dem Laufgang und beobachtete den Kampf der Elemente. Ungeheure Brecher rasten in den Hangar hinein, erfüllten ihn, überspülten jeden Zentimeter Beton mit schwarzem Wasser, zogen sich zornig zurück, tobten gegen die Seitenmauern und schäumten über die Kais. Danach gönnte der Ozean der leeren Höhle einen wenige Sekunden dauernden Aufschub, ehe er mit verdoppelter Kraft zurückkehrte.
    Diese Atempause musste er nutzen, um die zwanzig Meter Laufgang
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