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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt
Autoren: Alexander Kröger
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mir Elan und Forscherdrang eingab, was depressive Stimmungen verscheuchte.

    Während ich. dieses aufschreibe, sortiert Pitt zum drittenmal sein persönliches Gepäck. Ich habe ihm nahegelegt, sowenig wie möglich von seinen kindlichen Gerätschaften mitzunehmen, und die Entscheidung, was in den Tragesack sollte oder was nicht, fällt ihm offensichtlich schwer.

    Wir sind nach siebenundzwanzig Tagen zurück.
    Vier Tage haben wir uns erholt von den Strapazen, im Bade geschwelgt, ungeachtet der dürftigen Vorräte über unsere Verhältnisse lukullisch gelebt.
    Aber schon nach diesen vier Tagen komme ich zu dem Schluß, viele Fehler gemacht zu haben, vor allem, was die Einbeziehung des Jungen in meine diesmalige Unternehmung anbelangt. Vorweg: Er hat den Marsch, die Strapazen sehr gut überstanden.
    Dort, in Seestadt, hat er mir zwei- oder dreimal die Frage gestellt, warum wir nicht unter ihnen leben, warum zwischen Gerümpel in dem verwachsenen Schiff. Ich habe es ihm, so gut ich konnte, erklärt, eindringlich und so lange, bis er mir sagte, er verstünde mich und würde stets zu mir, zu seiner Mutter, halten…
    Aber ich sehe die Frage in seinem Gesicht, seinem Blick, und ich habe Furcht, sie könnte größer, drängender werden, könnte etwas zwischen uns oder in ihm irreparabel zerstören… Und ich stelle mir die Frage nach der Verantwortung oder meiner Verantwortungslosigkeit. Was eigentlich gibt mir das Recht, dem Jungen die Gesellschaft vorzuenthalten, wie läßt sich mein Egozentrismus bemänteln, ja, bemänteln, denn begründen kann ich ihn wohl nicht…
    Und schon nach diesen vier Tagen spüre ich, wie mich dieser Konflikt erneut in die Dämmerzustände stoßen wird…
    Natürlich hoffe ich, die gewohnte Umgebung, die Gewöhnung an die Zweisamkeit überhaupt, würde in Pitt die Frage abschwächen, ihn – auch mit zunehmendem Alter – zu Einsichten führen. Noch zeichnet sich derartiges leider nicht ab…
    Aber der Reihe nach: Den Marsch, den bisher schwierigsten, weil auf beinahe vollständig verwachsener Piste, übergehe ich weitgehend. Als neue Erkenntnis brachte er lediglich, daß ich mich auf meine Depots, die ich übrigens nur mit äußerster Mühe fand – eines gar nicht –, künftig würde nicht mehr verlassen können. Vorräte und Gerätschaften verdarben…
    Den Wassermassen, der Wärme und den sicher aggressiven Pflanzensäften, der Fäulnis mit all ihren Produkten widerstand auf die Dauer wohl das beste Material nicht. Und schließlich hatte man diese Dinge nicht für die ständige Aufbewahrung fast im Freien entwickelt. Kurz, ich hatte arge Bedenken, von den Konserven, unter denen sich welche befanden, die uns im Schiff längst ausgegangen waren und die schon Lekkerei oder zumindest willkommene Abwechslung bedeuteten, zu essen, in der Annahme, sie hätten unter diesen extremen Bedingungen – so, wie manche von außen aussahen – ihre unbegrenzte Haltbarkeit aufgegeben und wir würden uns vergiften…
    Von meinen diesbezüglichen Bedenken sagte ich Pitt nichts, schon weil ich ihm die Freude an unbekannten Genüssen nicht verderben wollte. Aber ich lebte in Furcht und lauschte nach bedenklichen Mahlzeiten in mich hinein, ob meine Eingeweide mit dem Angebotenen fertig wurden…
    Angefeindet von Tieren wurden wir kaum jemals. Freilich, zeitweise verfolgten uns Echsen, einmal zog ein Krake unweit vorbei, ließ uns zu Salzsäulen erstarren, aber nahm keine Notiz von uns, und gelegentlich sprangen uns die kleinen Nager an, aber eine wirkliche Bedrohung widerfuhr uns nicht.
    Wir erreichten also unbeschadet und verhältnismäßig guter Stimmung die Peripherie Seestadts, beide aufgeregt, Pitt voller Aufmerksamkeit mir gegenüber und, weil doch nun in bänglicher Erwartung, überaus folgsam. Den Standort erreichten wir nachmittags, und da gerade der Regen einsetzte, beschlossen wir, auch weil ich es taktisch für klüger hielt, die Nacht noch abzuwarten und erst am nächsten Tag mit der eigentlichen Unternehmung zu beginnen.
    Nicht zu früh und ausgeruht, drangen wir tags darauf unter Zurücklassung des meisten Gepäcks in Seestadt ein. Wir gingen direkt auf dem Hauptweg, so, als hätten wir ein Ziel, es aber nicht gar zu eilig, dorthin zu gelangen. Ich faßte Pitt an der Hand, und wir taten, als unterhielten wir uns über etwas alltäglich Interessantes. Das Spiel hatten wir uns ausgedacht, und Pitt hatte begeistert zugestimmt. In Wirklichkeit aber betrachteten wir scharf, und jeder auf seine Weise,
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