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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang
Autoren: Joachim C. Fest , Bernd Eichinger
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Armee einschließen könnten. Als ihn am folgenden Tag die Nachricht erreichte, daß eine seiner Eliteeinheiten, die auf den Kämmen der Seelower Höhen eingesetzte Fallschirmjäger-Division, panikartig die Flucht ergriffen hatte, ließ er sich mit dem Führerbunker verbinden.
      Doch wie verschiedentlich schon stießen seine dringlich erhobenen Vorstellungen auf völliges Unverständnis. Der Vorschlag, die Truppen aus der Festung Frankfurt/Oder abzuziehen und in eine der kilometerweit aufgerissenen Abwehrlücken zu werfen, begegnete kalter Ablehnung. Und auch als er später von General Krebs, dem erst kürzlich ernannten Generalstabschef, die Genehmigung verlangte, die eigenen Verbände zurückzunehmen, kam vom anderen Ende nur ein hörbar bestürztes Atemringen. Dann sagte Krebs: »Damit wird sich Hitler nie einverstanden erklären. Halten Sie sämtliche Stellungen!«
      Am 19. April war die gesamte Hügelkette von Seelow bis hinauf nach Wriezen in russischer Hand und der Landstrich dazwischen, der einen Reisenden, kaum hundert Jahre zurück, an »ferne Wunderländer« erinnert hatte, »alles Friede, Farbe, Duft«, wie er schrieb, in eine gesichtslose Kraterwelt verwandelt. Stück für Stück zerbrachen von nun an, in verlustreichen Stellungskämpfen, die Reste der deutschen Abwehrfront. Nach sowjetischen Angaben hatte die Schlacht auf Seiten der Angreifer über dreißigtausend Tote gefordert, glaubwürdigere Berechnungen kommen auf siebzigtausend Gefallene, denen Zwölftausend Verluste auf deutscher Seite gegenüberstehen. Aber Berlin lag seither kaum siebzig Kilometer entfernt, und auf dem Weg in die Hauptstadt gab es keine zusammenhängende Front mehr, sondern nur noch mehrere Stützpunkte sowie von einzelnen Einheiten verteidigte Dörfer, Waldstücke oder kleine Anhöhen. Schon zwei Tage darauf schlugen, von eilig vorgezogenen Ferngeschützen abgefeuert, die ersten Granaten auf dem Berliner Hermannplatz ein. Sie richteten unter den ahnungslosen Passanten und den Käuferschlangen vor dem Kaufhaus Karstadt ein grauenhaftes Blutbad an.
      Fast eine Woche zuvor hatten amerikanische Truppen bei Barby die Elbe erreicht und dort verhalten. »Berlin ist kein militärisches Ziel mehr«, hatte der amerikanische Oberkommandierende, General Eisenhower, seinen entgeisterten Truppenführern erklärt; die Stadt gehöre den Russen, so sei es vereinbart worden, und der Krieg im nördlichen Teil des Reiches somit für sie zu Ende. Zur gleichen Zeit hatte Feldmarschall Walter Model nach mehreren, durchweg von ihm zurückgewiesenen Kapitulationsangeboten den Kampf um den Ruhrkessel eingestellt und seine Heeresgruppe aufgelöst. Über dreihunderttausend Soldaten und dreißig Generale gerieten in Gefangenschaft. »Haben wir alles getan«, wandte Model sich an seinen Chef des Stabes, »um unser Verhalten vor der Geschichte zu rechtfertigen? Bleibt noch etwas zu tun?« Und nach einem kurzen Blick ins Leere hatte er hinzugefügt: »Früher nahmen die besiegten Feldherren Gift.« Wenig später folgte Model ihrem Beispiel.

      Seit Wochen fühlte Hitler sich vom Unheil verfolgt, eine Verteidigungslinie nach der anderen war ihm weggebrochen, angefangen von der Großoffensive der Roten Armee in Ungarn, der Erhebung der Partisanenverbände Titos, dem Fall der Festungen Kolberg und Königsberg bis hin zu den tausend geringeren Schreckensmeldungen, die täglich einliefen. Hinzugekommen waren die Streitigkeiten mit dem inzwischen abgelösten Generalstabschef Guderian sowie mit dem störrischen Speer, der sich Ende März sogar geweigert hatte, auf eine »erfolgreiche Weiterführung des Krieges« zu hoffen. »In allem Verrat ringsum«, hatte Hitler daraufhin gesagt, »ist mir nur das Unglück treu geblieben das Unglück und mein Schäferhund Blondi.«
      Die Kette der Hiobsbotschaften schien nur einmal zu zerreißen, als Goebbels am Abend des 13. April angerufen und atemlos, mit sich überschlagender Stimme in den Apparat gerufen hatte: »Mein Führer, ich gratuliere Ihnen! In den Sternen steht geschrieben, daß die zweite Aprilhälfte für uns den Wendepunkt bringen wird. Heute ist Freitag, der 13. April!« Dann hatte er mitgeteilt, daß der amerikanische Präsident Roosevelt gestorben sei, und in der unverzüglich einberufenen Zusammenkunft mit Generalen, Ministern und Parteioberen schlugen aus Planetenkonjunktionen, Aszendenzen und Transiten im Quadrat noch einmal längst entschwundene Hoffnungen hoch. Ein Bündel Papiere in der
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