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Der unersättliche Spinnenmann

Der unersättliche Spinnenmann

Titel: Der unersättliche Spinnenmann
Autoren: Pedro Juan Gutierrez
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ihr Leben. Ich fand, sie sahen aus wie Verrückte. Die Leute verließen den Karneval langsam und widerwillig. Es mochte gegen Mitternacht sein, und niemand verstand das hier.
    Zu Hause hatte ich noch ein bisschen Rum. Ich legte eine Platte von Tina Turner auf, ging in die Küche und improvisierte ein Chopsuey aus Sojabohnen, Zwiebeln und Geflügelwürstchen. Wir setzten uns zum Essen auf die Dachterrasse, vor uns das Meer. Danach tranken wir Rum mit Orangensaft. Wir fühlten uns gut. Das sind schöne Momente. Und alles andere spielt keine Rolle.
    »Hast du dich oft verliebt, Gloria?«
    »Also … ich weiß nicht.«
    »Klar weißt du das. Das weiß man doch immer.«
    »Darüber spricht man nicht.«
    »Man spricht über alles, Gloria. Red kein Scheiß.«
    »Dann wirst du nur eifersüchtig und schreibst aus Rache einen Roman darüber. Stocksauer. Und verpasst mir eine Tracht Prügel. Nein, mein Lieber. Ich kenne dich. Über mich schreibst du keine Romane mehr.«
    »Ich schreib schon nicht darüber und verpass dir auch keine Prügel. Es gibt Dinge, da lässt man lieber die Finger davon.«
    »Eben hast du noch gesagt, man spricht über alles. Siehst du, wie du lügst?«
    »Ahh.«
    »Nichts ahh. Ich hab dich beim Lügen erwischt. Erzähl du doch mal zuerst.«
    »Ich? Vier oder fünf Mal. Mit dir ist es das fünfte oder sechste Mal.«
    »Ihr Männer verliebt euch schnell. Und genauso schnell ist es auch wieder aus mit der Liebe.«
    »Das stimmt nicht.«
    »Stimmt wohl. Wir Frauen sind mehr …«
    »Beständiger.«
    »Konsequenter.«
    »Vielleicht. Jetzt sag du mal.«
    »Und du wirst nicht eifersüchtig? Kann ich dir vertrauen?«
    »Sicher doch.«
    »Ich hab unheimlich viele Männer gehabt. Ich weiß gar nicht, wie viele, aber richtig verliebt habe ich mich nie. Leidenschaften und Launen.«
    »Warum?«
    »Ich bin immer in mieser Umgebung gewesen. In Bars, Cafeterias, in … du weißt schon. Die Männer haben mich angemacht, um an Geld zu kommen. Zuhälter, Gauner, Scheißtypen.«
    »Und mit den Ausländern?«
    »Genauso oder noch schlimmer. Sie zahlten, ich zog meine Show ab, und ciao.«
    »Hast du nie eine echte Romanze gehabt?«
    »Viele haben das geglaubt. Die Männer sind naiv und glauben alles, was wir Frauen ihnen sagen.«
    »Die müssen aber ziemlich bescheuert gewesen sein. Wer glaubt schon, was einem eine Hure sagt, die man bezahlt?«
    »Nenn mich nicht Hure. Ich bin keine Hure. All das liegt weit zurück.«
    »Bist du verliebt?«
    »Ich fühle mich so gut mit dir, das kannst du dir gar nicht vorstellen.«
    Wir küssten uns, kamen ein bisschen auf Touren und gingen ins Bett. Liebten uns langsam und zärtlich. Wir reden immer viel dabei. Plötzlich sagte sie:
    »Ich möchte, dass du mein Papa bist.«
    »Ich bin dein Mann.«
    »Mein Mann und mein Papa. Pass auf mich auf und kauf mir eine Puppe.«
    »Morgen schenke ich dir eine Puppe.«
    Er wurde mir noch härter, und wir umklammerten uns fest, und ich drang ganz tief in sie ein. Gemeinsam hatten wir einen Orgasmus. Da sagte sie:
    »Ja, Papi, so, so! Nimm mich hart und schlag mich, schlag mich!«
    Wir hatten einen langen, frenetischen Orgasmus. Erschöpft blieben wir liegen. Sie schlief ein, nackt und mit dem Gesicht nach unten. Ich machte mir noch einen Rum mit Eis und Orangensaft und ging ein Weilchen auf die Dachterrasse, um aufs Meer und in die Nacht hinauszuschauen, wie immer, es ist eine Sucht. Die Straßenkehrer fegten nach wie vor eilig den Malecón.
    Mit dem Glas in der Hand ging ich ins Schlafzimmer zurück. Gloria schläft tief, das Gesicht nach unten. Sie ist wunderschön. Sie hat auch jetzt noch einen ziemlichen Stierarsch. Ich mag sie so. Sie ist mir immer zynisch vorgekommen, mit einem Herz aus Stein. Eine harte Frau, die jedem Mann das Leben schwer machen kann. Jetzt scheint sie mir viel zerbrechlicher und verletzlicher. Ich glaube, wir passen gut zusammen. Welche von beiden ist die wirkliche? Ob beide gleichzeitig existieren? Eine in der anderen?

 

     
     
    Pedro Juan Gutiérrez
    wird 1950 in Kuba geboren. Mit elf Jahren beginnt er als Eis- und Zigarettenverkäufer zu arbeiten, ist später fünf Jahre Soldat, arbeitet als Schwimm- und Kajaklehrer, als Zuckerrohrschneider und Landarbeiter, als Bauinstallateur und technischer Zeichner. Gutiérrez ist Maler, Bildhauer, Dichter und Journalist. Der Autor mehrerer Romane lebt in Havanna. 2002 erschien bei Hoffmann und Campe sein erster Roman »Schmutzige Havanna Trilogie«, der auch als Hörbuch
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