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Der unersättliche Spinnenmann

Der unersättliche Spinnenmann

Titel: Der unersättliche Spinnenmann
Autoren: Pedro Juan Gutierrez
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verrückt nach mir. Er hat einen ganz Kurzen, aber das macht nichts, meiner reicht für zwei, denn ich hab genug für jetzt und später, hahaha. Er hat einen Kleinen, aber einen großen Geldschein, hahaha … Endlich kann ich mir’s gut gehen lassen.«
    Jetzt liegt er im Bett, bleich und völlig fertig. Ich frage Gloria:
    »Ist er krank?«
    »Der böse Blick und der Neid. Er ist total blauäugig und erzählt jedem, dass er nach Mexiko geht und Geld geschickt bekommt und dass der Typ total in ihn verknallt ist und dass sie nach London reisen werden, um zu heiraten …«
    »Er ist ja halb tot.«
    »Ja, sicher. Vor ‘ner halben Stunde hat er das alles zwei alten, hässlichen Tunten erzählt, mit denen er befreundet ist. Die schaffen es nicht mal bis Guantánamo. Kaum waren die weg, ist er auch schon zusammengefallen wie ein Salatblatt im Ofen. Los, hilf mir mal, ich will das von ihm abwaschen.«
    Sie nahm die Kräuterbündel, die im Wasser gesiedet hatten:
    »Böse Einflüsse, schlechte Strömungen, macht, dass ihr wegkommt!«
    Sie erschauerte, als sie den nackten Körper ihres Bruders abrieb. Ich half ihr, denn der Typ war halb bewusstlos. Er war wirklich bildhübsch. Man konnte ihm nachsehen, dass er nichts im Kopf hatte und so naiv war.
    Gloria zuckte mehrmals zusammen. Wenn die Tote in sie einfuhr, wurde die Sache schwierig, denn wenn die schwarze Estanislá Gestalt annimmt, redet sie mindestens eine Stunde ohne Pause. Man muss ihr dann eine Flasche Schnaps und eine Zigarre besorgen, und sie geht nicht wieder, bevor sie die nicht aufgeraucht und den Schnaps ausgetrunken hat. Nach dieser Trance ist Gloria völlig erschöpft und erinnert sich an nichts mehr. Jetzt hat die Tote nicht Gestalt annehmen können. Gloria hat gebetet und sie verscheucht. Sie hat eine Zigarre entzündet und ihren Bruder schließlich mit dem Sud von sieben Kräutern, Rum, weißen Blumen, Zucker, Zimt, aromatischen Ölen und ich weiß nicht was sonst noch alles befreit. Sie hat den Rauch der Zigarre über ihn geblasen und dabei zu drei verschiedenen Heiligen gebetet und den afrikanischen Gottheiten. Der Typ war in zehn Minuten wiederhergestellt. Dann reinigte sie sich selbst, zog sich um und parfümierte sich und kam lächelnd auf mich zu:
    »Fertig! Lass uns zum Karneval gehen, ich hab Lust auf ein Bier.«
    »Woher weißt du überhaupt, dass ich dahin will?«
     »Das sagst du mir doch, seit du hergekommen bist.«
    »Mach jetzt hier nicht auf Hexe. Ich hab doch gar nichts gesagt.«
    »Du redest mit den Augen, mein Lieber. Komm schon.« Wir gingen auf den Karneval. Vor drei oder vier Jahren haben wir uns kennen gelernt. Sie war Kellnerin im Aeroclub in der Nähe des Flughafens. Ein paar Mal die Woche ging ich hin. Es ist angenehm dort und klimatisiert. Immer sind ein paar Ausländer da, und ich verkaufte ein paar Bilder, trank ein paar Gläser und verführte Gloria. Das war eine gute Zeit. Ich hatte gerade mit Julia angefangen, und wir waren glücklich. Und ich verdiente jede Woche Geld. Es fehlte an nichts. Liebe, Geld und Gesundheit. Wenn die Dinge gut laufen, dehnt sich der Geist, man atmet in vollen Zügen und fühlt sich wie ein König.
    Gloria und ich gefielen uns vom ersten Moment an. Noch am selben Abend gingen wir zusammen ins Bett, und es war wunderbar. Alles ist ohne Stress und Verpflichtungen gewesen. Sie hat andere Männer gehabt. Vor allem Ausländer, die gut zahlen. Sie ist sehr geschickt darin, den Männern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das macht sie ganz natürlich, und es ist das Einzige, was sie in ihrem Leben gemacht hat. Außer kurzen Phasen, in denen sie als Bedienung in Bars und Cafeterias gearbeitet hat. Das Beste ist, dass wir immer klare Verhältnisse hatten: Sie ist frei, und ich bin es auch. Doch in letzter Zeit haben sich die Dinge geändert. Gloria ist jetzt in der zehnten Woche schwanger. Sie schwört mir, dass es von mir ist und dass sie seit Monaten total treu ist, weil sie mich so sehr liebt und ich der Mann ihres Lebens bin. Die Sache wird kompliziert.
    Zigaretten, Essen, Rum verursachen ihr Übelkeit. Manchmal muss sie sich übergeben, und sie kennt nur noch ein Thema, redet nur noch vom Kind, der richtigen Ernährung, der Wiege, den Windeln, der Schwangerschaftsuntersuchung. Ich versteh’s zwar nicht, aber ich höre ihr zu. Ich mag sie und fühle mich gut mit ihr. Trotz ihres Bauchs sind wir zwei wilde Tiere im Bett oder auf dem Stuhl oder wo auch immer. Doch ich bin nicht sicher, dass das Kind von
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