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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei
Autoren: Andrej Kurkow
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nahm eine Flasche, öffnete sie, trank ein wenig und hielt sie Dobrynin hin.
    Dem Volkskontrolleur war nicht nach Trinken zumute.
    Er stand auf und reckte sich, steckte den Kopf durch die Luke und sah sich draußen um.
    Der Panzer stand vor einem Häuschen, über dem eine eisbedeckte Fahne hing, ein roter Eiszapfen, angefroren an der Tür.
    Die Stille tönte so, wie sie es nur bei besonderem Frost tut, aber Dobrynin spürte den Frost nicht.
    Die Tür in dem Häuschen mit der Fahne ging auf. Der Soldat trat heraus, ihm auf den Fuß folgte ein Mann in Soldatenuniform, die Augen schmal, das Gesicht rund und die Nase plattgedrückt.
    Dobrynin kletterte hinaus, und das Metall des Panzers dröhnte unter seinen Füßen, bis er auf den Schnee hinunter sprang. Er ging zu dem Haus und streckte dem Soldaten die Hand hin.
    „Volkskontrolleur Dobrynin“, stellte er sich vor.
    „Funker Petrow!“, antwortete der schmaläugige Soldat.
    Zweifelnd sah Dobrynin ihn an. So ein typisch russischer Familienname passte zu ihm nicht.
    Der Funker zog, als er das Misstrauen spürte, einen Ausweis aus der Brusttasche seines Hemdes und reichte ihn dem Volkskontrolleur.
    Der Ausweis war quadratisch, und in der linken unteren Ecke klebte eine Fotografie des Schmaläugigen. In reinstem Russisch folgte im Weiteren der Eintrag: „Armeefunker Petrow, Konstantin Samoilowitsch“. Darauf die Unterschriften irgendwelcher Vorgesetzten, und vor einer der Unterschriften ein gewichtiges: „Armeekommandeur …“
    ‚Samoilowitsch? Petrow?‘, überlegte Dobrynin, noch immer ein wenig zweifelnd.
    „Dann ist es wohl so! Es steht ja da – Petrow!“
    Nachdem er seine Zweifel so überwunden hatte, streckte Dobrynin Petrow die Hand hin.
    „Willkommen, treten Sie ein!“, sagte der Armeefunker und öffnete die Holztür.
    ‚Sein Lächeln ist trotzdem nicht russisch‘, dachte der Volkskontrolleur im Gehen, aber er unterdrückte diesen Gedanken gleich – sein Ausweis besagte, dass er Russe war, also war er Russe.
    „Sind Sie allein?“, fragte Petrow Dobrynin, als er vor einem Ofenfass Halt gemacht hatte.
    „Nein, ich habe meinen Gehilfen dabei“, antwortete der Kontrolleur.
    „Na, ich denke, Sie werden es hier bequem haben. Sie wohnen in diesem Zimmer. Ich wohne nebenan, hier hinter der Wand. Wo ist Ihr Gehilfe denn?“
    „Im Panzer“, sagte Dobrynin.
    „Ich hole ihn!“, sagte der aufgeweckte Soldat, der an der Tür stand, und eilte aus dem Häuschen.
    Ein paar Minuten später erschien Waplachow in der Tür und hielt die Kiste mit den Trinkspiritusflaschen in den Händen.
    Funker Petrow musterte den Ankömmling eindringlich, dann tat er einen Schritt nach vorn und wechselte einen Händedruck mit ihm.
    „Machen Sie es sich bequem, ich melde inzwischen Oberst Iwaschtschukin, dass Sie angekommen sind“, sagte er und verließ das Zimmer.
    Das Zimmerchen war klein, aber warm, es wurde gut eingeheizt. An den Wänden standen zwei Eisenbetten, außerdem gab es noch einen kleinen ovalen Tisch, drei Stühle und eine Karte der Sowjetunion, die über die ganze Wand reichte. Auf dem schmalen Fensterbrett des einzigen Fensters stand ein Blumentopf mit Erde, aber ohne Blume.
    Nachdem er sich umgesehen hatte, setzte Dobrynin sich auf ein Bett und ließ seinen Reisesack auf den braungestrichenen Holzboden sinken.
    Dmitrij stellte seine Kiste auf den Tisch und setzte sich gleichfalls, auf einen Stuhl neben Dobrynin.
    Er sah müde und unglücklich aus.
    „Was ist los mit dir?“, fragte ihn Dobrynin.
    „Ich habe Kopfweh“, stöhnte der Urku-Jemze.
    Der Panzersoldat schaute ins Zimmer herein, salutierte, teilte mit, dass er nun in die Stadt zurück fahre, und verschwand.
    Vor dem Fenster dröhnte der Motor des gepanzerten Fahrzeugs los.
    Der hölzerne Fußboden vibrierte unter den Sitzenden.
    „Petrow ist kein Russe“, bemerkte Dmitrij plötzlich, wobei er seinen Chef müde von unten her ansah.
    „Ich habe seinen Ausweis geprüft “, entgegnete Dobrynin. „Dort steht, dass er Russe ist … Und was ist da auch für ein Unterschied?“
    Waplachow antwortete nicht. Er war außerordentlich bleich.
    Hier kam der Funker Petrow mit einem Teekessel in der Hand herein. Er stellte den Teekessel auf den Tisch und holte unter einem Bett drei große Tassen hervor.
    „Alles in Ordnung“, sagte er. „Viele Grüße von Iwaschtschukin.“
    „Danke“, erwiderte Dobrynin.
    „Was ist, ist dem Genossen schlecht?“ Petrow wies mit dem Kinn auf Waplachow. „Vielleicht
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