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Der Ultimative Ratgeber Für Alles

Der Ultimative Ratgeber Für Alles

Titel: Der Ultimative Ratgeber Für Alles
Autoren: Dieter Nuhr
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treffen. Im zarten Alter von zehn Jahren müssen Kinder heute selber aussuchen, welche weiterführende Schule sie besuchen. Eltern gehen mit ihren Nachkommen Schulgebäude besichtigen, die Kinder entscheiden sich für die Schule, deren Klotüren die schönste Farbe aufweisen, und die Eltern können aufatmen: Sie sind unschuldig, wenn sich das Gymnasium als Brutstätte kollektiver Verdummung oder als Marktplatz für Drogen aller Art erweist. Eltern sagen dann gerne: »Du hast es doch so gewollt!« Und dass die Kinder zum Zeitpunkt der Entscheidung noch dumm wie Roggenbrote durchs Leben eierten, ist für Eltern dann kein Argument.
    Mit elf Jahren führt die Einrichtung des Internetanschlusses im Kinderzimmer zur Einführung der Brut ins Erwachsenenleben. Und noch bevor die ersten Haare in der Achselhöhle sprießen, wissen die Kleinen, durch zahlreiche Besuche auf Pornoseiten in die Kunst der Liebe eingeführt, was der Begriff »Fisting« bedeutet. Sollten Sie in solchen Fragen Informationslücken haben, fragen Sie einfach Ihren pubertierenden Sohn.
    Mit 14 werden Kinder dann strafmündig und überlassen den Verkauf aufputschender Medikamente den Kleineren aus den siebten und achten Klassen, die, wenn sie erwischt werden, zwar einen Tadel ins Klassenbuch erhalten, nicht aber gleich beim fünften mal ins Gefängnis müssen, da sie noch nicht strafmündig sind.
    Mit 30 schnaufen die jungen Leute dann, ausgelaugt von Bachelor-Studiengängen, Auslandssemestern, Praktika, Sprachurlauben und Seminarwochenenden, der eigenen Grablegung entgegen. Im Testament wird auf senkrechter Beerdigung bestanden, damit es beim Jüngsten Gericht nicht so aussieht, als hätte man faul herumgelegen. Der Tod reißt ohnehin ein kaum zu kaschierendes Loch in den Lebenslauf. Und bald soll auch noch die erste eigene Wohnung her! Was für ein Stress!

    Eine Schleuder mit Bleimunition ist heute in jedem Spielwarengeschäft käuflich zu erwerben und wird gerne auch an Nachwuchsgangster zwischen 7 und 13 Verkauft. So lernt der Nachwuchs spielerisch, dass sich im Leben selbst eigentlich Unvorstellbares, wie eine Vier in Mathematik, erreichen lässt, wenn man mit schweren körperlichen Schäden durch Waffengewalt zu drohen weiß.

INFANTILITÄT
    Man mag dieses Leben als Hetze empfinden, als Beleg für verkürzte Kindheit taugt es nicht. Im Gegenteil! Im Grunde verlängert sich die Kindheit gerade bis ins hohe Alter! Früher wurde die Infantilität durch die Pubertät beendet, spätestens wenn Mutter darauf bestand, man sei nun zu alt, um in kurzen Hosen zur Beerdigung zu gehen, und Vater, zur Bestätigung der These vom Ende der Kindheit, statt einer einzigen nun zwei Fläschchen Bier zum Frühstück auf den Tisch knallte, also wenn man das zart knospende Alter von elf oder zwölf erreicht hatte, alt genug, um am Samstag den Knallknöpfen vom Konkurrenzverein aus der Nachbarstadt auf die Fresse zu hauen, zumindest wenn genügend ältere dabei waren, die einen im Notfall vor dem lynchbereiten Mob schützten, Knüppel inne Tesch, wie man im Rheinland so schön folkloristisch sagt.
    Heute gehen die Zeiten der Kindheit nur sehr langsam ins Erwachsenendasein über. Man spielt noch mit 40 Fußball auf der Wiese und lässt sich musikalisch von den Kids beraten. Mit 50 glaubt man, das erste Lebensdrittel sei Vorbei und Verfällt deshalb in Depression. Mit Mitte 60 kauft man sich das erste Motorrad. Und mit 80 geht man zwar vielleicht am Stock, zieht dazu aber kurze, hautenge Hosen an und behauptet, das sei Nordic Walking - also Sport. Die Kindheit endet heute mit dem Ableben.
    Viele, bevorzugt Männer, ziehen heute erst dann von zu Hause aus, wenn die Eltern ins Heim fliehen, weil sie einmal im Leben ungestört von ihrer Nachkommenschaft vor sich hin leben wollen, ohne ständig bügeln zu müssen. Und vielleicht ist manche vorgetäuschte Pflegebedürftigkeit im Alter nur der Versuch, den eigenen ausbeuterischen Blagen ein wenig von dem zurückzugeben, was sie ein Leben lang den Eltern angetan haben: ihnen nicht nur auf der Tasche, sondern auch noch auf der Couch gelegen zu haben. Wer weiß?
    In sozialen Netzwerken wird der Schulhof nicht nur in den Nachmittag, sondern bis in den Lebensabend verlängert. Man hängt gemeinsam rum und bequasselt, was so anliegt, die Frisur von Lulu, die Bluse von Sabrina oder die sekundären Geschlechtsmerkmale der Deger-Zwillinge. Das ist eine Freizeitbeschäftigung, die der 8. Klasse adäquat ist, im Erwachsenenalter aber
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