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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition)
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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ließen einen Spalt frei, durch den jemand mich fotografiert hatte. Zornig stürmte ich auf den Vorhang zu, der Fotograf drückte erneut auf den Auslöser, das Blitzlicht war so hell, dass ich geblendet innehalten musste.
    Als ich wieder sehen konnte, waren die beiden Vorhänge übereinandergezogen. Ich riss sie auseinander und stand vor einem Zwergwüchsigen in einem Rollstuhl, der eine alte Polaroidkamera auf mich gerichtet hielt. Seine Stirn war verformt, sein linkes Auge wie zugeschwollen. Er lachte, dabei entblößte er kleine, weit auseinanderstehende Zähne. Im Vergleich zum Körper schien der Kopf riesig groß, die Schultern befanden sich auf Höhe der Oberkante der Lehne, die ausgestreckten Beine mit den nackten Füßen erreichten gerade die vordere Kante der Sitzfläche. Der Zwergwüchsige schien sehr jung zu sein. Er wartete, bis ich ihn ausgiebig gemustert hatte, um noch einmal die Kamera zu betätigen und mich diesmal so stark zu blenden, dass ich minutenlang nichts mehr richtig erkennen konnte.
    Ich kann darauf verzichten, den Schrecken von außerhalb auch noch auf dem Werksgelände zu haben.
    Die Frau, ich hörte es am Geräusch ihrer Absätze, nahm mich an der Hand und führte mich aus dem Container hinaus. Als ich mich noch einmal umblickte, sah ich den Türausschnitt von Blitzlicht erhellt. Das Wesen in dem Rollstuhl fotografierte weiter.
    Die Schlüsselkarte funktionierte, die Leitung vom Besprechungsraum mit Peter und Sondra zu meinem Büro im Roboterlabor stand. Ich war nicht zu spät gekommen, ich hatte die Assistentin angewiesen, mit Peter noch das Protokoll einer anderen Besprechung gründlich durchzugehen, damit er und Sondra auf keinen Fall allein wären, bis ich meinen Posten eingenommen hatte.
    Mein Bild spiegelte sich in der Fensterscheibe, nur das Licht des Monitors beleuchtete mich in dem dunklen Raum. Ich sah älter aus, als ich dachte. Lag es an meinem Mehrtagebart? Meine Mitarbeiter und Vorgesetzten haben sich daran gewöhnt, dass ich mich nur einmal in der Woche rasiere. Als Kind wollte ich nicht zum Friseur gehen, denn das Haareschneiden tat weh, meine Haare waren keineswegs leblos, wie meine Mutter behauptete. Ähnliche Schmerzen bereitete es, als ich meine ersten Barthaare abrasierte. Mittlerweile habe ich gelernt, mit den Schmerzgefühlen umzugehen. Zwar ist meine Stirn ziemlich hoch, aber meine Haare sind noch nicht völlig ergraut. Ich lasse sie sehr kurz schneiden, obwohl das meine abstehenden Ohren betont. Sei’s drum. Noch habe ich mehr schwarze als graue Bartstoppeln. Als Ausgleich für meinen Bart bin ich immer tadellos angezogen. Ich trage nur dunkelgraue oder dunkelblaue enge Anzüge, weiße, blaue, blau-weiß oder rot-weiß gemusterte Hemden und schmale dunkle Krawatten. Ich habe versucht, Jeans und Polos oder T-Shirts anzuziehen, jedes Mal fühlte es sich so an, als würde jemand mit Sandpapier auf meiner Haut reiben.
    Ich wusste nicht mehr, wann ich das letzte Mal etwas so intensiv beobachtet hatte wie das Zusammentreffen von Peter und Sondra. Ich stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und verschränkte die Hände ineinander. Eigentlich war es unsinnig, die Hände derart in mein Gesichtsfeld zu halten, dass ich den unteren Teil des Bildschirms gar nicht sehen konnte. Als sich die Assistentin verabschiedet und den Raum verlassen hatte, richtete ich mich weiter auf und streckte den Kopf in die Höhe, anstatt die gefalteten Hände herunterzunehmen.
    Zum ersten Mal, seit sie sich im Werk aufhielt, war Sondra mit Peter allein. Wenn die beiden die Beziehung hatten, die ich mir – nicht ausmalte, dann mussten sie sich jetzt, da sie sich unbeobachtet glaubten, offenbaren. Sie sprachen über die technischen Daten der neuen Steuerung, über die Timer, über die Zähler, über die Merker und die Adressbereiche sowie die Register. Sie diskutierten die Konnektivität, die Schnittstellen CANopen, Profibus, Profinet.
    Entfernte Supernovae werden aufgespürt, indem man Bilder desselben Raumabschnitts immer wieder miteinander vergleicht und nach Veränderungen sucht. Ich verglich ihr Gespräch mit den unzähligen anderen über dieselben Themen, denen ich beigewohnt oder deren Protokolle mich erreicht hatten, und suchte nach Abweichungen, nach Anomalitäten. Der Gedanke schoss mir durch den Kopf, dass sie mich in unverschämter Weise täuschten. Aber sie konnten doch nicht wissen, dass ich sie beobachtete!
    Vorher war mir noch nie aufgefallen, dass Sondra légèrement
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