Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
.
    Okay, das reichte. Jetzt wurde es langweilig. Was wohl wäre, wenn
sie selbst
das Glas das nächste Mal manipulierte? Sie müsste nur ein ganz kleines bisschen schieben. Was, wenn es ihr gelänge, das Glas mit totaler Konzentration, mit so richtig punktgenau eingesetzter Hyper-Willenskraft,
Jane
buchstabieren zu lassen   …
    Willenskraft, genau, Gedankenprojektion. Sie sah Layla an, doch Laylas Augen waren immer noch geschlossen.
    Also gut. Jane entdeckte den Buchstaben A . Er lag zwischen Kirsty und der kleinen Amy, und sie konzentrierte sich mit aller Kraft darauf, und als das Glas anfing, sich zu bewegen, versuchte sie zu   …
    Das Glas aber, auf dem ihr Zeigefinger lag, wurde unaufhaltsam zu dem Buchstaben U gezogen.
    Jane lehnte sich zurück. Dieses Spielchen gefiel ihr nicht. Es gefiel ihr ganz und gar nicht.
    Dann bemerkte sie, dass das Mädchen ihr gegenüber, Amy, angefangen hatte zu keuchen. Ihr helles Haar war streng aus dem Gesicht nach hinten gekämmt, und es wirkte beinahe so, als zöge der Pferdeschwanz ihre Haut zurück. Jetzt fiel Jane auch wieder ein, wer Amy war. Sie war diejenige, die in ihrer altmodischen Schuluniform aussah wie eine Schaufensterpuppe: der Rock immer wie frisch gebügelt, der Blazer immer zugeknöpft, die Krawatte immer gerade gezogen, das Haar immer perfekt frisiert. Amys Vorbild war garantiert Candida Butler.
    Aber was stimmte nicht mit ihr? Warum war sie überhaupt hier, wenn sie sich so sehr vor dieser Sache fürchtete?
    Weil es süchtig machte? Weil es funktionierte?
    Ich will hier raus.
    Das Glas bewegte sich wieder unter Janes Finger und glitt noch zu mehreren anderen Stationen des Buchstabenkreises. Das verdammteDing schien genau zu wissen, wohin es zu rutschen hatte, und jetzt ließ Jane es einfach geschehen. Sie sah zu, wie sich ihr Finger zusammen mit den Zeigefingern der anderen drei hin und her bewegte – alle hatten ihre Finger offenkundig nur ganz leicht auf den dicken Boden des Glases gelegt.
    Sie sah zu, wie das Glas ein Wort buchstabierte, bevor es in der Mitte des Buchstabenkreises endgültig zum Stillstand kam.
    J-U-S-T-I-N-E
    Mit heiserem Atemzug holte Amy tief Luft.

Teil eins
    Der Geschmack des Bieres
     
    Der Hopfen gehört zur gleichen Familie wie Hanf und Cannabis und ist ein Verwandter der Nessel. Die Kletterpflanze ist winterhart, robust und mehrjährig, kann bis zu sechs Meter lang werden, zieht sich jedoch jeden Winter in den Boden zurück. Sie besitzt keine Seitenranken und windet sich im Uhrzeigersinn um die Rankhilfe. Auch wenn Hopfen selbst in nährstoffarmem Boden wächst, so benötigt er doch optimale Bedingungen, um eine Qualität hervorzubringen, die den Ansprüchen des schrumpfenden Hopfenmarktes genügt. Die Folge davon ist, dass der Hopfenanbau in Herefordshire heute fast ausschließlich in den geschützten Tälern des Frome und des Lugg betrieben wird, die der Pflanze genügend nährstoffreichen Lehmboden bieten.
     
    Aus:
A Pocketful of Hops
    (Bromyard and District Local History Society, 1988)

1   Die Drähte
    In der warmen, dunstigen Nachtluft lehnte sich Lol an ein Gatter mit fünf Streben, um dem Rauschen des Frome zuzuhören. Der Fluss konnte kaum mehr als ein paar Meter entfernt sein, aber beim Frome wusste man das nie so genau.
    Als er über die Holzbrücke gegangen war, hatte er nach unten geschaut und nichts gesehen. Das war normal. Der Frome war ein schmales und verschwiegenes Flüsschen, das an manchen Stellen weniger floss als dahinsickerte, so dunkel wie Schwarzbier, und von Sumpfgebüsch und Ufer-Weidenröschen verborgen wurde. Schon jetzt mochte Lol den Frome sehr; er wollte bloß im Dunkeln nicht hineintreten, das war alles.
    «Fluss?», hatte Prof Levin am Morgen gefragt. «Das soll ein Fluss sein? Ich dachte, das wäre so ein beschissener Entwässerungsgraben.»
    Das hatte Lol nur noch mehr angezogen. Später hatte er sich mit seiner alten Washburn-Gitarre in die Sonne gesetzt und angefangen, einen schwermütigen Song zu schreiben.
    Erreichst du wirklich jemals das Meer,
    nach dessen Weite du dich sehnst so sehr,
    oder ist das nur ein Traum, nichts mehr   …
    Ja genau,
nur ein Traum
. Sollte er mit diesen Versuchen nicht am besten ein für alle Mal Schluss machen?
    Und jetzt saß ihm auch noch ständig Prof Levin im Nacken, damit er es noch einmal probierte. Und Prof war keiner, der schnell aufgab. Also war Lol durcheinander und mit schlechtem Gewissen in die diesige Nacht hinausgegangen. Seine Nerven lagen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher