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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen
Autoren: Phil Rickman
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Pfarrhausgartens hinaus, den Gomer Parry beharrlich zweimal die Woche mähte, «…   über Menschen, die im Stand der Gnade leben.»
    Der Rasen endete am Obstgarten der Powells, der inzwischen in Kirchenbesitz übergegangen war. An den Ästen hingen schon winzige grüne Äpfel, die aussahen wie einzelne Trauben. Was würde dieses Jahr wohl bringen?
    Merrily warf einen Blick auf die Uhr. Sie musste bald los, um Jane von der Englischprüfung abzuholen. Wenigstens darüber musste sie sich keine Sorgen machen. Jane war in diesem Fach ein Naturtalent und hatte kaum Vorbereitung nötig gehabt.
    Der Bischof hüstelte. «Da gibt es etwas, worüber ich schon länger mit Ihnen sprechen wollte.»
    «Mmmh?»
    «Sie sind noch sehr jung.»
    «Eher jung trifft es wohl besser.»
    «Jung», sagte er nachdrücklich. Er hatte Enkel in Janes Alter. Er wandte sich zu ihr um. «Und Sie sind eine sehr junge Witwe.»
    Merrily hätte ihn beinahe darauf hingewiesen, dass sie ohne einen gewissen tödlichen Autounfall auf der M5 jetzt eine nicht mehr besonders junge geschiedene Frau und deswegen vermutlich niemals zum Priesteramt zugelassen worden wäre.
    Bernie sagte: «Wir wissen alle, dass sich Thomas Dobbs während seiner Zeit im Exorzistenamt bemüßigt fühlte, einen sehr strengen, beinahe klösterlichen Lebensstil zu pflegen. Frugal. Und tief ins Gebet versenkt.»
    «Ja», sagte sie. «Ich glaube, ich verstehe das inzwischen – warum er das getan hat, meine ich.»
    «Er war allerdings ein alter Mann. Sie dagegen sind   …»
    «Was auch immer.» Sie stand auf.
    «Als Sie Dobbs’ Nachfolge angetreten haben, haben Sie sich doch bestimmt gefühlt, als müssten Sie wie auf Eiern gehen.»
    «Ja   … aus diesem und auch aus anderen Gründen.» Sie hatte eine ungefähre Vorstellung von dem, was jetzt gleich folgen würde, und klatschte in die Hände. «Entschuldigen Sie, Bernie, ich muss in einer Minute los. Jane von der Schule abholen. Sie haben ihre GCS E-Prüfungen . Wer mit einer Prüfung fertig ist, kann gehen. Ich möchte nicht riskieren, dass sie beschließt, im Pub auf mich zu warten.»
    Er nickte, obwohl er ihr Ausweichmanöver durchschaute. «Ich   … wir haben nie ein Blatt vor den Mund genommen, Sie und ich. Wir sind beide der Ansicht, dass Hunter Sie als Dobbs’ Nachfolgerin eingesetzt hat, um fortschrittlich zu erscheinen   … politisch korrekt   … und all dieser Mist. Trotzdem war das, wie ich Ihnen schon mehrfach gesagt habe, meiner Meinung nach einer von Hunters gelungeneren Schachzügen. Nicht zuletzt deshalb, weil Leute, die sich dem unheimlichen alten Dobbs niemals anvertraut hätten, mit Ihnen bestimmt sprechen würden – von Mensch zu Mensch. Das gilt ganz besonders für junge Leute. Es ist sehr wichtig, dass wir versuchen, jungen Menschen zu helfen.» Er runzelte die Stirn. «Was ich sagen will, Merrily   … Ich möchte nicht, dass Sie Bedenken haben, sich menschlich zu verhalten.»
    «Wie bitte?»
    «Ich meine   … Sie müssen doch, wenn Sie Jane vor Augen haben, deren ganzes Leben noch vor ihr liegt – Jungs, Partys, Sie verstehen schon. Da fühlen Sie sich doch bestimmt wie eine   …»
    «Meiner Erfahrung nach sind auch Nonnen menschliche Wesen.» Merrily zog eine Augenbraue hoch.
    Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann seufzte der Bischof leise. «Das haben Sie gesagt.»
    «Ich habe nur versucht, Ihnen aus der Patsche zu helfen.»
    «Verflixt nochmal, Merrily!» Er schlug mit der linken Hand auf eine Stuhllehne.
    Was hätte sie denn sonst sagen sollen? Sie hatte sich schließlich nicht um diesen Job an der vordersten Front des Christentums beworben: tägliche Auseinandersetzungen mit unerklärlichen, gestaltlosen und unbeweisbaren Phänomenen, von denen die Schwachen, die Verletzlichen, die Verwirrten und die Scharlatane berichteten.
    Glaubte der Bischof ernstlich, sie würde all das leichter ertragen, wenn sie ausging, sich betrank und gelegentlich flachlegen ließ?
    Vermutlich nicht.
    «Ich sage ja nur, dass das Amt für spirituelle Grenzfragen viel stärker ins öffentliche Interesse gerückt ist, als sich irgendwer vorgestellt hat. Ich möchte nicht, dass Sie einen Nervenzusammenbruch kriegen oder sich verschließen – indem Sie sich eine undurchdringliche spirituelle Schale zulegen, wie es Dobbs getan hat.»
    «Oh, ich glaube nicht, dass ich dafür stark genug wäre, Bernie.»
    «Bei Dobbs hatte das keine großen Auswirkungen. Schließlich wusste nicht einmal die Hälfte der
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