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Der Tuerke - Das Original

Der Tuerke - Das Original

Titel: Der Tuerke - Das Original
Autoren: Ihsan Acar
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schon weg!«
    Vater:
»Was habe ich euch zig Mal erzählt? Nur in Deutschland und Österreich darf das Auto verlassen werden. Und du gehst hier einfach spazieren? Warum fahre ich mit euch überhaupt in Urlaub? Warum tu ich mir das freiwillig an?«

Der Türke und sein Auto
    Das Auto als zweites Zuhause
    Ab dem 18. Lebensjahr ändert sich das Leben eines Türken schlagartig. Das Auto spielt von nun an eine zentrale Rolle, für viele ist es sogar wie ein zweites Zuhause. Ein 1 8-jähriger Türke, der gerade den Führerschein gemacht und das Auto seines Vaters zur freien Verfügung hat, schafft durchschnittlich 70 bis 120 km am Tag.
    Und das, obwohl diese jungen Türken den ganzen Tag nur drei bis maximal fünf Straßen befahren. Sie kennen dieses Bild. Und Sie fragen sich bestimmt: »Die schon wieder? Warum fahren die immer hier lang? Haben die nichts anderes zu tun? Sind die bescheuert?«
    Die Haare millimetergenau gestylt, topchic angezogen, sind sie in sportlichen Autos unterwegs, meist zu zweit, manchmal auch zu dritt oder viert. Und tragen, egal ob männlich oder weiblich, eine grimmige Miene zur Schau. Dieser fürwahr charismatische Blick hellt sich nur dann auf, wenn die Jungs auf ein anderes voll besetztes »türkisches Auto« treffen. Dann stoppen beide Autos, am liebsten an Bushaltestellen, die Insassen steigen aus, sie umarmen sich, Küsschen auf die rechte Wange, Küsschen auf die linke Wange. Das erste Hupen des Busfahrers wird überhört. Kurzer Smalltalk. Der Busfahrer hupt erneut. Einer der Türken schimpft in Richtung des Busfahrers: »Was willst du, Lan?« Das heißt so viel wie: »Was willst du,Alter?« Der Spruch ist obligatorisch und nicht weiter böse gemeint. Die beiden Autos sind im Nu wieder voll besetzt, und die Fahrt kann weitergehen.
    Doch wohin fahren sie?
    Haben sie ein Ziel?
    Ja, natürlich!
    Ein Ziel ist, alle Lieder auf der neu erworbenen Musikkassette oder CD anzuhören. Der Interpret ist meist Türke und singt alles Mögliche: Pop, Rock, Schlager, Volksmusik. Dank der türkischen Satellitensender verliert man nicht den Anschluss an das Geschehen in der Türkei und hört exakt die Musik, die auch dort gerade angesagt ist.
    Jeder Türke macht eine Phase durch, in der er bevorzugt Arabesk hört. Arabesk wurde und wird geprägt von den Kultfiguren Ferdi Tayfur, Orhan Gencebay und Müslüm Gürses. Diese Künstler verbreiten bereits seit den 70er-Jahren melancholische und traurige Stimmung unter den Türken. Sie singen über Liebe. Meistens werden sie verlassen. Doch sie wissen nie, warum.
    Das Lied ›Batan Günes‹ von Ferdi Tayfur ist ein sehr populäres Lied. Sie haben es bestimmt auch schon gehört, als ein Auto mit türkischen Insassen an Ihnen vorbeirauschte.
    Der Text geht ungefähr so:
    Untergehende Sonne, nimm mich mit!/ Ich komme nicht zurück hierher!/ Das Schicksal hat nur eine Absicht:/ Es will die Liebenden trennen.
    Eigentlich muss man trinken, wenn man diese Musik hört. Zumindest rauchen. Einige verziehen sich sogar auf irgendwelche abgelegenen Parkplätze und kiffen, während Müslüm Gürses und Ferdi Tayfur mit weinerlichenStimmen ihre Angebeteten fragen, warum sie weggegangen sind. Echte Müslüm-Gürses-Fans gehen sogar so weit, dass sie sich ritzen, weil sie den Herzschmerz des Sängers nachvollziehen wollen. Vor Müslüm-Gürses-Konzerten werden angeblich Rasierklingen verkauft, und es soll auch schon mal zu einem Blutbad im Publikum gekommen sein.
    Natürlich hört man diese Musik nur unter Männern, alle singen mit fast geschlossenen Augen lautstark mit, vergewissern sich aber hin und wieder durch einen kurzen Blick, ob die anderen auch richtig mitziehen. Im Lied heißt es sinngemäß: »Ich will nicht mehr leben, weil sie mich verlassen hat. Deshalb betrinke ich mich jetzt Tag und Nacht.« Die Jugendlichen sind in Trance und können sich voll mit diesem Text identifizieren, auch wenn sie erst gestern ihre Freundinnen getroffen haben und eigentlich alles bestens läuft. Wenn die Angebetete sich mal zwei Stunden lang nicht meldet, spielt sich im Kopf eines Türken gleich ein Drama ab: »Warum ruft sie nicht an? Sie nimmt mich nicht ernst! Sie liebt mich nicht wirklich! Hat sie einen anderen? Ich bring sie beide um!«
    Viele glücklich verheiratete Türken wünschen sich phasenweise geradezu Probleme mit der Ehefrau. Denn ein Mann mit glücklichem Liebesleben oder einer intakten Beziehung empfindet einfach weniger, wenn er die Wehklagen von Ferdi oder Orhan
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